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Naturwüchsige Systemstruktur und gesellschaftliche Selbstbestimmung
 
Heinrich Harbach

Welt OhneGeld

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
(Abstract) Naturwüchsige Systemstruktur und gesellschaftliche Selbstbestimmung   
(Referat) Naturwüchsige Systemstruktur und gesellschaftliche Selbstbestimmung in warenproduzierenden Produktionsweisen   
Was ist Wert?   
Wertformen als Autoregulation des Systems   

(Abstract) Naturwüchsige Systemstruktur und gesellschaftliche Selbstbestimmung    

Das Gesellschaftssystem in dem wir leben, mit seiner wirtschaftlichen Basis der Produktion und des Austauschs von menschlichen Arbeitsprodukten als Waren, ist kein von den Menschen nach ihrem freien Willen kreativ gestaltetes Gebilde.

Es besteht primär aus gesellschaftlichen Verbindungen und Verknüpfungen, die zwar durch individuelle und subjektive menschliche Handlungen entstanden sind, aber in ihrem objektiven Gesamtzusammenhang eine naturwüchsige, autoregulative und selbstorganisatorische Struktur haben, die nicht nachhaltig, sondern nachträglich wirkt.

Die Auflösung und Transformation der vorhandenen Gesellschaftsstrukturen hängt daher primär nicht vom subjektiven revolutionären Willen einzelner oder gleichgesinnter Menschen ab, sondern von der Schaffung neuer Zusammenhänge, also einer höheren Organisationsform gesellschaftlicher Arbeit.

Die kapitalistische Produktionsweise als wirtschaftliche Grundlage des bürgerlichen Gesellschaftssystem ist – in wesentlichen Punkten und Koordinationen – ein eigendynamisches System der autonomen und adaptiven Selbststeuerung durch Marktvermittlung von Waren und Geld (ein „processing complexity“ mit einer emergenten, nichtlinearen Komplexität). Die Menschen bestimmen ihren Arbeits- und Lebensrythmus im wesentlichen nicht selbst, sondern werden fremdbestimmt von Dingen, die ihnen äußerlich sind, aber Macht über sie besitzen, ihnen vorschreiben wie sie zu leben und zu arbeiten haben.

Die autonome Selbstbestimmung und Gestaltung einer menschlichen Gesellschaft fängt für mich daher in erster Linie mit der ''Auflösung der naturwüchsigen Strukturen der Waren- und Geldgesellschaft an''.

Die Vermittlung von (immateriellen) menschlichen Beziehungen über fremdbestimmte Gegenstände wie Geld und seine Derivate, allgemein und gesellschaftlich dominant über preisbestimmte Arbeitsprodukte (Waren), muss substituiert und gesteuert werden durch direkte gesellschaftliche Beziehungen von Menschen, die Produkte nur erzeugen und verteilen um begründete menschliche Bedürfnisse zu befriedigen.

Die Möglichkeit ein naturwüchsiges Netzwerk wie die Geld- und Warenwirtschaft zu ersetzen durch ein von Menschen nach ihren Bedürfnissen gestaltetes direktes gesellschaftliches Produktions- und Verteilungssystem ist mit der digitalen Netzwerktechnik zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte gegeben (Bis auf die Urform: Die Naturalwirtschaft der Urgesellschaft).

Die digitale Technik schafft reale „Echtzeit-Märkte“ – im Gegensatz zur Marktvermittlung – die die Möglichkeit einer direkten und zeitlich unmittelbaren Koordination von Produktion und Verteilung bedürfnisorientiert herstellen. Es ist dies aber nur die technische Vermittlung, die gesellschaftliche Organisation dieses neuen Zusammenhangs gesellschaftlicher Arbeit muss von den Menschen selbst bewerkstelligt werden.

Die naturwüchsige, sachlich gegenständliche Marktvermittlung auf- und abzulösen durch eine direkte gesellschaftliche Vermittlung ist die zentrale Aufgabe einer notwendigen gesellschaftlichen Transformation.

Um diese Veränderungen in der Gesellschaftsstruktur zu erreichen gibt es sicherlich sehr vielfältige Formen und Ansatzpunkte, aber auch zentrale Linien und Hebel denen Priorität eingeräumt werden muss, soll diese Umstrukturierung nicht in einer Sackgasse enden. Ich halte die Demonetarisierung für einen Hauptstrang.

(Referat) Naturwüchsige Systemstruktur und gesellschaftliche Selbstbestimmung in warenproduzierenden Produktionsweisen    

Was ist Wert?    

Das Gesellschaftssystem in dem wir leben, mit seiner wirtschaftlichen Basis der Produktion und des Austauschs von menschlichen Arbeitsprodukten als Waren, ist kein von den Menschen nach ihrem freien Willen kreativ gestaltetes Gebilde. Es besteht primär aus gesellschaftlichen Verbindungen und Verknüpfungen, die zwar durch individuelle und subjektive menschliche Handlungen entstanden sind, aber in ihrem objektiven Gesamtzusammenhang eine naturwüchsige, autoregulative und selbstorganisatorische Struktur haben, die nicht nachhaltig, sondern nachträglich wirkt. Die Auflösung und Transformation der vorhandenen Gesellschaftsstrukturen hängt daher primär nicht vom subjektiven revolutionären Willen einzelner oder gleichgesinnter Menschen ab, sondern von der Schaffung neuer Zusammenhänge, also einer höheren Organisationsform gesellschaftlicher Arbeit.

Eine gesellschaftliche Vermittlung muss und wird es in allen Gesellschaftsordnungen geben. Dass innerhalb der (kapitalistischen) Warenproduktion die wichtigsten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenhänge der Menschen von sachlichen Formen, Wertformen, wie dem Geld z.B., also durch einen gegenständlichen Mechanismus eigendynamisch reguliert und nicht von ihnen selbst bestimmt und gesteuert werden, ist in dieser Gesellschaft eine weitgehend nicht hinterfragte Tatsache.

Eine Welt ohne Geld ist für die meisten Menschen nicht vorstellbar, der allgemeine und wichtigste gesellschaftliche Zusammenhang in dieser Produktionsweise ist den Menschen als solcher nicht bewußt, er konstituiert sich durch ihre subjektiven Handlungen als eine objektive Verbindung, die ihren Lebens- und Arbeitsprozess bestimmt und sie in vielen Belangen domestiziert. Wie Marx schon 1867 analysierte, „sie wissen es nicht, aber sie tun es“ und die Menschen haben „daher schon gehandelt bevor sie gedacht haben“. Die Totalität des Prozesses erscheint daher als ein objektiver Gesamtzusammenhang, der naturwüchsig entsteht und sich selbstorganisatorisch verbreitet, quasi einen inneren, automatischen Mechanismus besitzt, der ihn unaufhörlich antreibt, in einem schlechtunendlichen Progress, in dem der Mensch sich nur als Rädchen betätigt.

Es ist m.E. äußerst evident, zu erkennen, dass der primus Motor dieses Systems eine abstrakte gesellschaftliche Form ist, die sich gesellschaftlich anerkannte, gegenständliche Formen überstülpen muss, um allgemeine und umfassende Wirksamkeit zu entfalten und das Gesellschafts- und Produktionssystem zu dominieren. Der Wert ist daher eine gesellschaftliche Beziehung von Arbeitsprodukten, etwas scheinbar mysteröses, was wie eine Naturform wirkt, aber genau so viel Naturstoff enthält wie der Aktienkurs (um mit Marx zu sprechen). Er wird als selbstregulierenderTransmissionsriemen in diesem System zum deus ex machina, zum automatischen Subjekt, von dem alle angetrieben werden und dem alle hinterherhecheln.

Wert kann man man nicht produzieren, wie einen Gebrauchswert, er ist in einer Ware auch nur enthalten durch ihre Beziehung auf eine andere Ware, indem sich zwei Waren im Austausch als Verkörperungen von Arbeitszeit aufeinander beziehen. Durch diese Beziehung werden Arbeitsprodukte erst Waren, die ihre gesellschaftliche Vermittlung über ihren Austausch erfahren und dadurch erst als Werte realisiert werden. Erst jetzt zeigt sich, wie viel gesellschaftliche Arbeit in ihnen enthalten ist. Der Wert wird nicht, wie vielfach irrtümlich angenommen, in der einzelbetrieblichen Produktion als fixe Größe produziert. Natürlich muss zur Herstellung von Arbeitsprodukten auch Arbeitszeit verausgabt werden, auch Mehrarbeitszeit. Ob und wie viel sich davon aber als gesellschaftlich notwendig realisiert, zeigt sich erst im Austausch der Arbeitsprodukte als Waren.

Die Gesellschaftlichkeit, d. h. gesellschaftliche Notwendigkeit und die Realisierung des gesellschaftlichen Werts ist also nicht fertige Voraussetzung, sondern werdendes Resultat.

Da Wertformen historisch begrenzte und vergängliche Gesellschaftsformen sind, sind sie auch auflösbar und durch eine direkte gesellschaftliche Koordination ersetzbar.

Wertformen als Autoregulation des Systems    

Dass unser wichtigster gesellschaftlicher Zusammenhang nicht von uns direkt gestaltet, reguliert und gesteuert wird, sondern in seinem objektiven gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang unserem Willen äußerlich ist, ist für uns selbstverständlich, wir sind in diese Umstände geboren und in ihnen aufgewachsen. Diejenigen, die befürchten, dass mit der Abschaffung und Auflösung der Wert- und Geldformen Chaos und Anarchie ausbrechen oder vorindustrielle Zustände wieder Einzug halten, wir dann zu archaischen Gesellschaftsformen der Naturalwirtschaft zurückkehren, verdrängen, dass wir immer noch von der verselbständigten Herrschaft von archaischen, verknöcherten Gesellschaftsformen abhängig sind, die unseren Lebens- und Arbeitsprozess domestizieren.

Etwas Unsinnliches, Immaterielles, nämlich eine Beziehung von Menschen, erhält eine gesellschaftliche Bedeutung, die durch eine Beziehung von Arbeitsprodukten als Waren repräsentiert wird. Neben ihrer sachlich gegenständlichen Existenz als Gebrauchswerte zur individuellen und gesellschaftlichen Bedürfnisbefriedigung sind diese Arbeitsprodukte als Waren zusätzlich noch Träger gesellschaftlicher Funktionen. Außerdem wirken sie und das gilt immer nur innerhalb dieser gesellschaftlichen Beziehung, als ein gesellschaftliches Vermittlungsmedium welches in diesen sachlich verknöcherten Wertformen eine Struktur ausbildet, die die gesamte Gesellschaft erfasst und dominiert.

Die Arbeitsprodukte sind das Ergebnis individueller, nützlicher Arbeiten und als solche nicht vergleichbar; der Markt jedoch braucht die Vergleichbarkeit. Da alle individuellen Arbeiten gleichzeitig auch Verausgabungen allgemein menschlicher Arbeiten sind, abstrakt menschlicher Arbeit, wird über diese Relation ihre Vergleichbasrkeit hergestellt. Diese allgemein menschliche Arbeit macht sie vergleichbar und wird ausgedrückt in ihrem (Tausch)Wert. Der Wert als Ausdruck der in den Produkten enthaltenen Arbeit ist damit ihre Austauschrelation und ihr gesellschaftlicher Bewertungsmaßstab, also etwas Immaterielles. Die verschiedenen individuellen gesellschaftlichen Produkte benötigen ein allgemeines Vermittlungsmedium, welches ihren Austausch bewerkstelligt, Geld. Dass es Geld geben muß, ergibt sich naturwüchsig unbewußt aus den Funktionsbedingungen der Warenwirtschaft. Dass der Wert als gesellschaftliche Beziehung sich an und durch ein sachlich gegenständliches Ding darstellen muss, wird gern mystifiziert als „Entfremdung“ oder „Verdinglichung“ umschrieben. Diese Begriffe verhindern genau zu definieren was Wert wirklich ist. Wert als selbstständige gesellschaftliche Beziehung von menschlichen Arbeitsprodukten beschreibt deren Widersprüchlichkeit mit eigenständiger Qualität und eigenständiger Form. Erst danach ist der Wert in seinen quantitativen Funktionen zu betrachten und darzustellen, ohne diese Grunderkenntnis zu verlassen. Die allermeisten Wissenschaftler sehen ihn nur als quantitative Relation von Gebrauchswerten und nur in seinen Bewertungs- und Meßfunktionen, erfassen den Wert nicht als eigenständige Gesellschaftsform. Wert ist für sie eine naturgegebene Maßeinheit, die in modernen Marktsystemen unersetzlich ist und nicht aufgelöst werden kann, für immer mit modernen Gesellschaftssystemen als Marktsystemen verbunden sein wird.

Dieser Mythos entsteht, weil etwas immaterielles, eine gesellschaftliche Beziehung, sich in einer gegenständlichen Formbeziehung darstellen muss, um gesellschaftlich wirksam zu werden. Um als allgemeine Wertgestalt der Waren die gesellschaftlich zentrale und systemisch ausschlaggebende Rolle als Vermittlungsmedium wahrnehmen zu können, muss der Wert in seiner Geldgestalt als allgemeine Gesellschaftsform mit einer Naturform verschmelzen, die seine Funktionen am besten erfüllt. Dieser Gegenstand war lange Zeit das Gold und ist es partiell heute noch, besonders in Krisenzeiten. Entscheidend für diesen Prozeß ist aber nicht die Golddeckung selbst, sondern die staatliche Deckung und Bürgschaft für die Währung des Landes und seine Stabilität. Durch die Verschmelzung von Natur- und Gesellschaftsform wird der Schein erzeugt, als ob dem Geld seine gesellschaftlichen Funktionen von Natur oder Geburt aus zustünden, quasi „angewachsen“ seien, so als ob der Verstand auf Bäumen wächst. Wer diese Naturformtheorie ablehnt, sieht im Geld einen geistigen Schöpfungsakt. Es ist schwer einzugestehen, dass wir unseren zentralen gesellschaftlichen Zusammenhang immer noch über einen naturwüchsig unbewußten Prozeß herstellen. Die Organisation und Verteilung der gesellschaftlichen Arbeit und des gesellschaftlich erzeugten Produkts geschieht in warenwirtschaftlichen Systemen nicht in gemeinschaftlicher Übereinkunft kooperativ verbundener Individuen, sondern in einem naturwüchsigen und gesamtgesellschaftlich autoregulativen Prozeß der Selbstorganisation. Das steuernde Element dieses Gesamtprozesses ist der Wert, der in seiner allgemeinen Form, dem Geld, zum Produktionsziel und Selbstzweck dieses Systems geworden ist. Nicht die Herstellung von Produktionsgütern zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse ist sein primäres Ziel, sondern die Vermehrung des Werts in seinen abstrakten, spekulativen und auch virtuellen Formen ist der Endzweck – Verwertung des Werts als unendlicher Progress, abstrakter Reichtum als Selbstzweck. Warenwirtschaftlich organisierte Gesellschaften sind daher Systeme der Autopoiesis.

Solche Systeme der Autopoiesis funktionieren sehr effektiv haben allerdings einen sehr gro0en Nachteil, sie können nicht antizipativ, sondern nur adaptiv arbeiten. Probleme, wie Krisen z. B. Können nur im Nachhinein durch durch Entwicklung neuer Strategien und Angleichung des Systems behoben werden und seit Keynes zeigt sich deutlich, das ohne die Gehhilfen des Staates auch die Adaption versagt. Die Anhäufung des gesellschaftlichen Reichtums in diesen abstrakten Formen und im heutigen Ausmaß hat allerdings zu zwei tiefgreifenden Problemen geführt, die das ganze System in Frage stellen. Die Verzinsung, die dieser abnorme Berg an gesellschaftlichen Reichtum erfordert, kann durch die gesellschaftliche Wertschöpfung nicht mehr gewährleistet werden. Dadurch wird aber die Autoregulation des Gesamtsystems der Waren- und Finanzwirtschaft in Frage gestellt. Die allgemeine Floskel – der Markt wird das schon regeln – gilt weniger denn je und kann angesichts der enormen Finanzprobleme auch kein Heilmittel mehr sein. Wenn man die realen Zahlen der Reichtumsentwicklung im Verhältnis zur laufenden Produktion in den kapitalistischen Industrieländern analysiert wird anschaulich, warum dieser Reichtum sich nicht zum Wohl der Gesellschaft, sondern eher zu einer Bedrohung für die Gesellschaft entwickelt hat. Der Kapitalismus hat, als erfolgreichstes Produktionssystem in der Menschheitsgeschichte, einen solch immensen Berg an abstraktem Reichtum in Geldform geschaffen, dass es ihm nicht mehr gelingt, diesen Reichtum adäquat zu verwalten oder gar zu vermehren (verzinsen). Zur Lösung dieses Konflikts gibt es nur zwei systemimmanente Ventile die sich gegenseitig bedingen: Spekulation und Krise. Das angehäufte Geldvermögen wächst mittlerweile aus einem Vulkan: Der neu geschaffene Wert kann die Verwaltung und Verzinsung des vorhandenen Reichtums nicht mehr gewährleisten, die Spekulation erzeugt riesige Blasen die kein Staatshaushalt mehr schliessen kann da u. a. Der Weg der Neuverschuldung durch Kreditaufnahme weitgehend versperrt ist. (siehe EURO-Krise) Im Jahr 2010 betrug das Geldvermögen der privaten Haushalte ca. 120 Billionen Dollar. Das Weltbruttonationalprodukt (BNP, früher BSP Bruttosozialprodukt) betrug ca. 65 Billionen Dollar. Zieht man davon die Abschreibungen ab bleiben ca. 50 Billionen Dollar. Selbst ein überproportionaler Gesamtgewinn liegt bei 12 bis 15 Billionen Dollar..Die normale Verzinsung von 120 Billionen Dollar erfordern aber schon mehr Geldvolumen als der Gesamtgewinn der Wertschöpfung weltweit erzeugen kann. (Quellen für diese Zahlen sind: BNP Statistik in der Wikipedia, Global Wealth Report 2012 und 2014 der „Allianz Versicherung“ und der UN Wealth Report 2012, Cambridge University Press sowie Wirtschaftsberechnungen der Agentur Reuters). Es wird deutlich, dass das System der (naturwüchsigen) ökonomischen Autoregulation an seine Grenzen gestoßen ist und eine bewußte und selbstbestimmte Gestaltung und Steuerung der wirtschaftlichen Abläufe zur Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse dringend erforderlich ist. Die sukzessive Auflösung der naturwüchsigen Gesellschaftsformen der Warenproduktion ist sicherlich ein langwieriger und schwieriger Prozess, aber es ist der einzige Weg zur Implementierung einer von den Menschen selbstbestimmten Gesellschaft. Es ist daher eine große Illussion zu glauben, das man die marktwirtschaftlichen Strukturen zähmen, d.h. planen und regulieren oder gar domestizieren kann, um sie auf eine rein technische Vermittlung gesellschaftlicher Prozesse zu reduzieren. Die Vorstellungen von einer „sozial regulierten Marktwirtschaft“, die bei vielen sozialistischen Wissenschaftlern existiert, widersprechen dem Charakter dieses Produktionssystems und sind genauso unrealistisch wie es die Konzeption einer planerisch und staatlich regulierten, „bewusst ausgenutzten“ Waren- und Wertbeziehung im Realsozialismus war. – Alternative Transformation Ich habe diese Gesamtzusammenhänge warenproduzierender Gesellschaften, die für alle marktwirtschaftlichen Systeme Geltung haben, in ihrem Kern nochmals dargelegt, weil die Probleme, die sich bei ihrer Auflösung ergeben werden, in den bisher vorliegenden Konzepten für die Ökonomie einer Übergangsgesellschaft, also der „Mixed Economy“, der „Hybridökonomie“ oder der „sozialistischen Marktwirtschaft“ vernachlässigt oder nicht richtig dargestellt werden. Mit der Konsequenz, dass die Ansatzpunkte für die Auflösungsbedingungen der Warenproduktion nicht gefunden und unrealistische Konzepte der gesellschaftlichen Transformation entworfen werden. Die Auflösung der Kernstruktur des Kapitalismus ist ohne die sukzessive Auflösung der Wert- und Warenformen, insbesondere der Geldformen, nicht möglich. Eine Abschaffung des Kapitalverhältnisses unter Beibehaltung der Waren- und Geldzirkulation als quasi technischer Vermittlung halte ich bei der Funktionsweise des Gesamtsystems für nicht machbar. Es würde den selbstorganisatorischen, autoregulativen Charakter der Warenwirtschaft partiell brechen, ohne Substitutionsprozesse zu initialisieren, die eine adäquate Vermittlung für dieses komplexe industrielle und soziale System gewährleisten können. Die neuen digitalen Entwicklungen eröffnen jetzt schon innerhalb der Warenwirtschaft die Möglichkeit den Arbeitsprozess über Work-Flow-Systeme zu steuern, ihn direkt mit den (individuellen) Bedürfnissen zu kombinieren und Bedürfnisse und Verteilung über GPS und one-to-one Systeme zu verbinden. Dabei ist das Ethernet eine direkte und unmittelbare Plattform der egalitären und individuellen Teilhabe am Gesamtsystem. Diese Technikentwicklungen sind eine notwendige Basis für eine neue, direkte und unmittelbare Steuerung des gesellschaftlichen Vermittlungszusammenhangs der Menschen, aber sie sind nur eine technische Verbindung und Vermittlung. Die (Neu) Organisation des gesellschaftlichen Zusammenhangs von von selbstbestimmten Menschen in einem gemeinschaftlich gestalteten Prozeß umgesetzt werden. Diese Entwicklungsprozesse, die sich aufgrund der technischen Entwicklung heute schon unter den Bedingungen der Warenproduktion abspielen, werden auch als „neue Vergesellschaftung“ und „neue Autonomie in der Arbeit“ bezeichnet. Dies ist ein Knotenpunkt bzw. eine Schnittstelle im kapitalistischen Reproduktionsprozess, die den Übergang von der Kooperation im Arbeitsprozess zur bewussten Kooperation auf gesellschaftlicher Ebene kennzeichnet. Hier wird die mikroökonomische Kooperation, die einer der Basisparameter des Kapitalismus ist und – auf Grundlage der Verwertung – sein Antriebsmotor als industrielles und technisches System, auf ein Niveau gehoben, an der die Herstellung und Verteilung des gesellschaftlichen Produkts Bedürfnis orientiert nur noch im gesellschaftlichen Maßstab gesteuert und reguliert werden kann. Denn makroökonomisch kann gesellschaftliche Kooperation nur als bewusster menschlicher Gestaltungsprozess funktionieren. Dies geht aber effektiv nur mit Hilfe neuer, direkter gesellschaftlicher Vermittlungsmechanismen, angefangen von autonomen, alternativen und selbstorganisatorischen Mikroeinheiten bis hin zu einer begleitenden Rahmenplanung individueller wie gesellschaftlicher Erfordernisse auf Makroebene. Der Kernpunkt einer gesellschaftlichen Transformation, die zu besserer Bedürfnisbefriedigung und zu mehr Selbstbestimmung und Eigenverwaltung gesellschaftlicher Prozesse führen soll, muss die sukzessive Substituierung der Funktionen und Formen des gesellschaftlich allgemeinen Äquivalents durch direkte Formen gesellschaftlicher Vermittlung sein. Die technischen Mittel, um eine (partielle) Substituierung des gesellschaftlich allgemeinen Äquivalents vornehmen zu können, stehen uns mittlerweile mit der digitalen Netzwerktechnik zur Verfügung, es sei aber ausdrücklich hervorgehoben, dass dies nur die technische Grundlage eines gesellschaftlichen Prozesses sein kann, der von den Menschen gemeinschaftlich, bewusst und selbstbestimmt gestaltet werden muss. Es wird sicherlich keinen Computersozialismus geben, aber die technischen Mittel der Quantencomputertechnik sind die Voraussetzung dafür, eine naturwüchsiges, eigendynamisches Netzwerk wie die Wertformen durch einen höherwertigen Mechanismus zu ersetzen, der direkte gesellschaftliche Vermittlungsformen in der Produktion und Verteilung des gesellschaftlichen Produkts einsetzt. Dadurch entstehen keine archaischen Gesellschaftsstrukturen, sondern gesellschaftliche Beziehungen, die dem menschlichen Zusammenleben wesentlich adäquater entsprechen als naturwüchsige Wertformen. Durch eine direkte Steuerung gesellschaftlicher Prozesse kann die Produktion an den menschlichen Bedürfnissen ausgerichtet werden und hat keinen verselbständigten Endzweck, in welchem Bedürfnisbefriedigung nur eine untergeordnete Rolle spielt. Für archaisch halte ich den Versuch, ein komplexes und hoch entwickeltes Gesellschaftssystem wie den Kapitalismus auf eine niedrigere gesellschaftliche Vermittlungsstufe zurück zu koppeln und diesen Vorgang als Fortschritt auszugeben. Gesellschaftlich fortschrittliche Aufhebung des Kapitalismus heißt im Kern, sukzessive Reduktion und Auflösung der Wertformen und der Geldwirtschaft. M.E. ist bei der global notwendigen Spekulation zur Verzinsung des angehäuften gesellschaftlichen Reichtums die nächste Finanzkrise unausweichlich und ihr Verlauf nicht mehr steuerbar, nur der Zeitpunkt ist relativ ungewiss. Weil für einen neuen weltweiten finanziellen Kraftakt die Mittel fehlen werden, bleibt dann nur noch ein Lösungsweg: ein globaler Währungsschnitt. Was in Zypern wie eine erzwungene Massnahme in der Not aussah, könnte ein Ausweg aus einem finanziellen Kreislauf sein, der in seiner Eigendynamik immer unbeherrschbarer und zur gesellschaftlichen und systemischen Bedrohung wird. Ich sehe in einem solchen Schritt durchaus einen Ansatz zur gesellschaftlichen Umgestaltung und Neuorientierung.

(C) Die Autoren changed: 27. März 2015