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Die Muster Des Klösterlichen

 

Samstag nachmittag: die Muster des Klösterlichen

Wir teilten uns in 2 Arbeitsgruppen:

  • In einer Arbeitsgruppe wollten wir ein Bild der verschiedenen Motive gewinnen, die zum Klösterlichen gehören. Wir nannten sie die "Ost" Arbeitsgruppe - eingedenk der Unterscheidung zwischen der "Energie" die eine menschliche Aktivität hervorbringt (diese kreative Energie ist im Medizinrad im Osten beheimatet) und der "Struktur" oder dem "Gefäß", das diese Energien aufnimmt.
  • In der anderen Arbeitrgruppe "West" sollten diese Strukturen oder Gefäße selbst das Thema sein.
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(Ost) Die Motive des Klösterlichen

Die Motive des Klösterlichen die einander wie Töne überlagern, und deren Zusammenklingen durch das Instrument der klösterlichen Strukturen quasi zur Musik des Klosters wird, lassen sich ganz grob in drei Gruppen, Phasen, Metamuster unterscheiden. Zusammen formen sie eine große Bewegung, die uns entfernt an Otto Scharmers "Theorie U" erinnert und sicher eine innere Beziehung dazu hat.... "Der Form des Buchstabens „U“ folgend, geht es zuerst darum, der Abwärtsbewegung in die eigene Tiefe zur eigenen Quelle, in einen Raum der Stille, zu folgen und dabei alles loszulassen, zumindest einmal für eine kurze Zeit, was in unserer Vergangenheit erfahren, gelernt und entwickelt wurde...Die rechte Seite der Aufwärtsbewegung im U gehört dem schrittweisen Verdichten, Materialisieren, in Funktion und in die Welt bringen." (Waltraud RÖCK-SVOBODA, Einführung in die Theorie U

(Graphik)

Die erste Motivgruppe haben wir "Motive des Rückzuges" genannt.

1. Das Erlebnis eines Defizites der Welt, das wir verarbeiten wollen

Am Ausgangspunkt steht die Erfahrung, dass es zwischen den negativen Erfahrungen die wir in dieser Welt machen, und uns selbst einen Zusammenhang gibt. Die Welt mit all ihren Freuden und Leiden erweckt in uns allen ein Gefühl der Überforderung, der Erschöpfung, der Verwirrung,des (Mit)Leidens, der empfundenen Sinnlosigkeit. Ihr Getriebe der pausenlosen Erregung und temporären Befriedigungen erzeugt in uns ein Bedürfnis des Rückzuges, aber eines Rückzuges in einen wirklich geschützten Raum. diesen Schutz und vor allem die Verarbeitung unserer Gefühle, die Sehnsucht nach Aufhebung der Defizite, vermag uns die uns zugestandene Privatheit nicht zu bieten. Ebensowenig kann das das direkte Agieren in jenen Bereichen, das uns zu Mitspielern eines Spiels mit falschen Regeln machen würde, oder gar zu Tätern, unser Problem lösen. Gerald Hüther paraphrasierend: Wir sind gezwungen, uns Menschen zu Mitteln zu machen oder uns von Menschen zu Mitteln machen zu lassen. Das soll nicht sein. Wir ziehen uns in einen Bereich zurück, in dem wir aus freien Stücken zu uns selbst finden.

2. Die Suche nach dem Schutzraum und dem Lehrer, der uns bei der Bewältigung dieses Defizites hilft.

Doch es ist nicht leicht, diesen Bereich zu finden... einen Raum der uns akzeptiert so wie wir sind ... der uns hilft, heil und ganz zu werden bzw. den lebendigen, verborgenen, verlorenen Kern in uns freizulegen. Der uns hilft, auch unserem Schatten zu begegnen. "Der Zauber der uns hilft zu leben" - er wird Gegenstand der Suche. Oft brauchen wir die mehrmalige Enttäuschung, um uns dessen bewusst zu werden, was wir wirklich brauchen, und dass dieser Raum im Außen wirklich mit der Entwicklung im Innen korrespondieren muss. Vielleicht brauchen wir auch Lehrer, die uns anleiten, Rollenvorbilder, und vieleicht brauchen wir auch die Erfahrung dass mit dem Erlösungsbedürfnis gewaltiges Schindluder getrieben wird, weil sich parasitäre Egos auf diesem Humus besonders gut entfalten. Letztlich erfahren wir, dass wir den wirklichen Lehrer in uns selber tragen, dass aber die Stimme so leise ist, dass wir einen Raum aufsuchen müssen, in dem wir sie gut hören können.

3. Die Sehnsucht nach der Stille und dem inneren Wachstum

Wir sind immer schon in die Stille gegangen; wir fühlten uns angezogen von Orten, die uns eine große Freiheit geben, in uns selbst zu hören, die zulassen und fördern, dass wir uns öffnen für eine leise Botschaft die wir sonst überhören. Zuerst war es die Stille der Natur, in der wir zu uns selbst fanden. Jetzt brauchen wir vielleicht noch eine größere Stille. In dieser heilsamen Stille - aber auch im achtsamen Gespräch mit anderen, die uns zuhören wie wir ihnen zuhören - entsteht eine Wahrnehmung unserer inneren Kräfte und unserer inneren Helfer, oder unseres großen verborgenen Helfers. Wir lernen eine Verbundenheit zu spüren, die wir im Getriebe der Welt verloren haben.

4. Die Sehnsucht nach Kohärenz, Sinnhaftigkeit und Verbundenheit

Diese Verbundenheit lernen wir als unsere Essenz kennen. Wir beginnen die Reise im Verborgenen, die uns aus dem anfänglichen Rückzug in die Kultur eines werte - vollen Lebens führt. Mit allen Sinnen, mit allen Ebenen unseres Seins suchen wir nach dieser Verbundenheit, wir finden sie in der Natur, als deren Teil wir uns begreifen, in der Teilnahme an einer Tradition, in mystischer Versenkung, in inspirierenden und charismatischen Menschen, deren Leben unsere eigene Suche spiegelt, im Ritual der Gemeinschaft, bis hin zum Gestalten einer kleinen Welt des Vor-Scheins (Bernard de Clairvaux: das Kloster als Vorschein des Paradieses), in der die Welt ein Gegenbild erhalten soll. Dort können wir - vielleicht - innehalten und uns verwurzeln, auch und gerade weil uns die Motive des Rückzugs weiterhin begleiten.

Die zweite Motivgruppe haben wir "Motive der Kultivierung" genannt.

5. Die Suche nach einem Ort der mütterlichen Geborgenheit

Von der Höhle des Einsiedlers in der Wüste an findet der Rückzug sein Ziel in einem Ort, desen Qualität die Suche nach Stille unterstützt - und dabei doch unendlich viel mehr ist als Nichts. Die Landschaft bringt uns in Verbindung mit der Erde, mit den heilenden Kräften der Natur, mit ihren feinstofflichen Qualitäten, die die alten besser wahrzunehmen wussten und dementsprechend sakrale Bauten dorthin setzten, wo Energielinien und Chacren besondere Qualitäten und Felder entstehen ließen, reines Wasser vorhanden war, Schönheit und Harmonie in der Natur. Oft genug haben Klöster frühere Sakralstätten verdrängt und überwuchert, und doch zieht sich durch diesen scheinbaren Gegensatz eben jene seltsame Gemeinsamkeit. Später hat die Baukunst immer mehr die Rolle der Landschaft übernommen und überformt sie.

6. Die Kultivierung der klösterlichen Gemeinschaft

Die Einsiedler haben sich gesammelt und als Klostergemeinschaften konstituiert, weil sie lernten, einander Kraft und Unterstützung zu geben bei der Suche, die jeden einzelnen antrieb. Die Ambivalenz dieser Gemeinschaften, die fast immer Autonomie in Abhängigkeit transformierten, ist bekannt. Doch genau darin liegt die immer wieder neu zu lösende Aufgabe der Klöster, denn die Gemeinschaft ist ein unabdingbarer Faktor und zutiefst auch Motiv der Klosterbildung; gerade für die Arbeit an sich selbst bedarf es der anderen als Spiegel, die mir helfen, mich auf meine höchsten Potentiale zu besinnen.
Wir lernen, dass wir nur als Gemeinschaft leben können, wenn wir in eine Balance von Tätigsein und Kontemplation finden, diese Balance durch Regeln absichern und gestalten, und uns wechselseitig beständig an die Aufgabe erinnern, die uns zusammengebracht hat. Wir leben nicht einfach zusammen, sondern tun etwas gemeinsam, und in diesem Tun wachsen wir zusammen - in beiden Sinen des Wortes.

7. Die Brüderlichkeit - Schwesterlichkeit

Die Gemeinschaft wird real in jeder täglichen Handlung, die immer auch eine Übung ist in dem was richtigen Leben genannt werden könnte. Wir lernen, unsere Befindlichkeit zu transzendieren und unsere Schatten zu transformieren, wir lernen bewusst zu leben und Hingabe und (Grund-) Vertrauen ohne Berechnung und Intriganz zu pflegen und zu entwickeln. Dem "Do ut des" der Welt setzen wir die gemeinsame Arbeit entegegen, unsere Schwächen transparent zu machen und beständig durch die in uns wachsende Kraft auszugleichen und so gemeinsam vollkommener zu werden. Das ist sehr leicht gesagt, aber unendlich schwer getan. Wir nehmen daher bewusst die Mühe der Selbsttranszendenz auf uns und suchen sie in Freude zu verwandeln, am füreinander da Sein, am einander - Anker - Sein, am Respektieren, Geben, Teilen, Empfangen, Bitten und Danken.
In vielen Klostertraditionen wurde das agapastische Begehren, wurden Liebe und Sexualität, aber auch Faszination und Schwärmerei als Feinde dieser bewusst eingegangenen Geschwisterlichkeit wahrgenommen und dementsprechend verdrängt (Worauf sie umso heftiger im Verborgenen tobten). Nur wenigen Traditionen war es vorbehalten, was doch in der neuen Zeit zum Allgemeingut werden wird, auch diese Formen der menschlichen Zuwendung zu kultivieren und in die klösterliche Gemeinschaft zu integrieren, aus der Sucht und Bedürftigkeit in die höchste Form der Communio zu transformieren.

8. Die Mönchische Arbeit

"Monnikenwerk" heißt im Niederländischen jede Arbeit mit Hingabe und Genauigkeit, mit Langmut und Meisterschaft. Unser Bedürfnis nach Harmonie, Stimmigkeit und Wahrhaftigkeit lässt sich nur realisieren, wenn wir unsere Berufung als Mitschöpfer ernst nehmen und unsere Schöpferkraft entwickeln.
Die Klostergeschichte, speziell im abendländischem Bereich, ist voll großartiger Manifestationen dieser Schöpferkraft. In ihrer höchsten Entwickung führt sie zur Synthese von individueller Meisterschaft und kollektiver Kulturleistung.

Die dritte Motivgruppe haben wir "Motive der Transzendenz" genannt.

9. Das Göttliche oder das Einigende, das größer ist als wir selbst

Die Motive der Kultivierung führen uns auf eine weitere Stufe, die vielleicht als Ahnung immer schon präsent war, aber jetzt deutlicher an Dasein und Empfindung tritt: Die Gemeinschaft ist ein Weg, die Einheit ist das Ziel. In der Stille haben wir den Ruf der inneren Stimme vernommen; im Gesang künden wir davon, dass das, was uns heil macht, was unsere Schöpferkraft trägt, sich in unserer Einheit und darüber hinaus manifestiert. Viele nennen es Gott, weil sie sich eine solche Kraft nicht ohne Persönlichkeit vorstellen wollen, geben ihm Namen und Formen, weil sie nur so damit umgehen können. Andere nennen es die heilige Matrix, weil sie ahnen, dass jedes individuelle Bewusstsein Verbindung zu dieser transpersonalen Realität hat, weil wir auch ahnen, dass der Geist nicht ein Epiphänomen der toten Materie ist, sondern eine latente oder manifeste Qualität in allem Seiendem, die sich ins äußere verströmt hat und wieder zu sich finden will - der leuchtende Grund, wie es Christtopher Alexander nennt.
Wenn wir uns als dieses Zu-Sich-Kommen des entäußerten Geistes begreifen, ist es einerlei, ob wir ihn als Alpha oder Omega sehen, als Grund-losen Weltenschöpfer oder als gesammelte Bewusstseinsenergie am Ende der Evoluton, wie es Teilhard de Chardin tat. Wahrscheinlich ist, dass Zeit selbst eine Daseins- und Anschauungsform ist, so lehrt uns auch die neue Physik, und dass es eine Realität jenseits der Zeit geben könnte in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eins sind.
Wir bescheiden uns angesichts dieser für uns unerreichbaren kosmischen Dimensionen damit, eine Brücke zwischen Himmel und Erde zu sein, das Göttliche in unsere Mitte zu bringen und uns an ihm auszurichten.

10. Das Werk

Die Klöster der neuen Zeit sehen nicht nur einen Auftrag der Schöpfungsverantwortung, sondern auch der konstanten Mitarbeit am - wenn wir es trotz aller Missverständnisse der Vergangenheit auch weiterhin so nennen wollen - göttlichen Werk: wir alle sind Mitschöpfer, die aufgerufen sind, aus der Weisheit der Natur zu lernen und die Gaben des Geistes zur Förderung des Lebens und der in ihm liegenden Potentiale zu verwenden.
So wird es auch zur Notwendigkeit, dass sich die klösterliche Gemeinschaft der Welt, aus deren Defiziten heraus sie sich konstituiert und ihren Rückzug angetreten hat, dieser Welt wieder aktiv zuwendet, im Bewusstsein dass aus der Stille die Fülle gewachsen ist.
Das Kloster hätte seinen Sinn verfehlt, wenn es nicht in irgendeiner Form und kollektiv eine Aufgabe übernehmen würde.
Wir haben vier Aufgabenfelder identifiziert, durch die Klöster traditionell, aber vermutlich auch in Zukunft tätig sein werden.

  • die Pflege des heilsamen Wissens und der Kultur (Wissen, was Leben ist, was Sinn macht und was uns trägt)
  • die Sorge für seelische und körperliche Gesundheit
  • die Arbeit an der Lebenswelt, die Hilfe bei der Gestaltung von Habitat und die Bekämpfung der Armut in all ihren Formen.
  • die Erforschung und die Erfahrung des Göttlichen und die Bereitstellung von Räumen der Zuflucht und des Rückzuges.
Diese Arbeitsfelder können sich überlappen. Klöster können sich untereinander verbinden und vernetzen, sie können weltliche Zweige ausbilden, wenn es die Aufgabe erfordert.

11 Das Charisma

Was uns die katholische Kirche, die Orthodoxie, der Buddhismus und andere klosterfreundliche Traditionen in verschiedenen Formen lehren können, ist dass sich diese Aufgabe mt einem kollektiven Charisma verbindet, mit einer quasi selbstbeauftragten, selbst errungenen kollektiven und zugleich numinosen Autorität ("Charisma" heißt ja wörtlich "Gottesgabe") verbindet; die starke Evolutionsfähigkeit nicht nur der katholischen Kirche gründet auch in der daraus folgenden Fähigkeit zur Devianz, zur Abweichung von der Tradition, wenn die Zeit es erfordert. In dieser "sanften Rebellion" gepaart mit einem Einverständnis der Mächtigen haben sich immer neue Orden konstituiert, zum Teil durch starke Gründerpersönlichkeiten.
So sind die Klöster Bestandteil der geselschaftlichen Evolution, reagieren auf den Geist der Zeit, stehen in ständiger Resonanz mit dem Wandel in der Welt. Wir sehen, dass die Zeit überreif geworden ist für neue Klöster.

12. das Ewige

Zugleich sind Klöster auch das Bewahrende, vielleicht ein wesentlicher Teil das Gedächtnisses der Welt. Über ihre aktuelle Aufgabe hinaus sind sie auch Träger von Erinnerung und Beständigkeit. Sie schaffen und bewahren auch immer einen Raum jenseits der Zeit, erinnern an die Verbundenheit auch jenseits der Gegenwart, mit vergangenem und zukünftigem. Damit entrinnen sie der Gefahr, vom Äußeren aufgesogen zu werden und schaffen jene größere kreative Stille, die so viele Suchende anzieht.


Das ist die Ahnung einer Tonleiter.
Nun bauen wir die Instrumente und machen die Musik.



To Do: West - eventuell auf Unterseiten verlagern!


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(C) Die Autoren changed: 12. Oktober 2020