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Wozu Eine Neue Klösterkultur

 

Udo Boessmann: Wozu eine neue Klösterkultur?

Seit Jahrtausenden gibt es Menschen, die sich in ihrem Leben auf das Wesentliche besinnen wollen. Sie sehnen sich danach, mit etwas Bedeutungsvollem in Kontakt zu sein, das in der profanen Geschäftigkeit und im Lärm der Welt unterzugehen droht.

Dazu kommt, dass viele Menschen – auch die, die keiner Kirche oder Konfession angehören – sich nicht vorstellen können, dass die sichtbare, „objektive“ Wirklichkeit die einzige ist. Sie fühlen: Es muss mehr geben als die materielle, alltägliche Welt. Sie wollen die ihnen bekannten Erfahrungsmöglichkeiten überschreiten und mit einer anderen Wirklichkeit in Kontakt zu treten: mit einem größeren, umfassenderen Ganzen, in das sie sich eingebunden fühlen können und das ihrem Leben tief empfundene Sinnhaftigkeit verleiht. Sie sehnen sich danach, von etwas Heiligen ergriffen zu werden, wollen aber nicht (mehr), dass andere für sie bestimmen, was heilig oder wahr ist.

Ein Kloster schenkt durch seine feste zeitliche Ordnung einen neuen Rhythmus, eine neue Weise, die Zeit zu empfinden und sich gegenwärtig zu erleben. Nicht nur in Zeiten der Andacht oder Meditation, sondern den ganzen Tag hindurch – beim Arbeiten, Essen und Schlafen – öffnet das Klosterleben den Raum für die Erfahrung für jene andere, umgreifendere Wirklichkeit. Der Einzelne tritt aus freien Stücken zurück, um mit ihr in Kontakt zu sein.

Die Weite, die sich in der Stille auftut, relativiert alle Zeit, auch die Zeit der eigenen Endlichkeit. Der innere Blick öffnet sich über den Tag und das eigene Leben hinaus. Habitare secum - bei sich wohnen, nennen Mönche diesen meditativen Zustand.

Wenn die Gedanken und Herzen der Klosterbewohner auf etwas ausgerichtet bleiben, das größer und bedeutsamer ist als jeder einzelne allein, wird das Zusammenleben einfacher, einheitlicher und konzentrierter. Trennende Glaubenssätze verlieren an Kraft und ganz unterschiedlichen Menschen gelingt es, in Frieden miteinander zu leben. Im Idealfall fühlt sich im Kloster die Zeit erlöst an, als würde eine himmlische Existenz innerhalb unserer irdischen Zeitgebundenheit vorweggenommen.

DISKUSSION

Franz Nahrada


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(C) Die Autoren changed: 2. Oktober 2020