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Arbeitsteilung Planung und Technologie
 
Workshop OhneGeld Wien März 2015

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Alfred Fresin: Arbeitsteilung, Technologie und Planung jenseits der Wertproduktion   
Abstract   
Arbeitsteilung   
Technologie   
Planung   
Volltext   
Arbeitsteilung   
Technologie   
Planung   
Diskussion   
Franz Nahrada : Kritik des Arbeitsteiligkeitsprinzips   
Arbeitsteilung   
"Autarkie" und Arbeitsteilung   
Jenseits der Arbeitsteilung   
Die Ordnung des Wissens   
Andreas Exner   
Nächster Diskussionsbeitrag....   

Alfred Fresin: Arbeitsteilung, Technologie und Planung jenseits der Wertproduktion    

Abstract    

Im Hinblick auf eine Alternative zum Kapitalismus seien ein paar Überlegungen zur Arbeitsteilung, Technologie und Planung eingebracht. Wenn es darum gehen soll, den Produktions- und Reproduktionsprozess als „Verein freier Menschen“ bewusst gesellschaftlich zu gestalten, dann kommt man nicht umhin, sich auch mit diesen Charakteristika des Arbeitsprozesses auseinanderzusetzen. Die Überwindung des Kapitalismus könnte wesentlich zielstrebiger angegangen werden, wenn sich die Kapitalismuskritiker zumindest in wichtigen und entscheidenden Punkten darüber einig sind, erstens was sie bezüglich des Kapitalismus für abschaffungswürdig erachten und zweitens wie die Alternative aussehen könnte.

Arbeitsteilung    

Die gesellschaftliche Produktion und eine starke Ausprägung der Arbeitsteilung sind charakteristisch für den Kapitalismus.
Worin besteht die Kritik an der kapitalistischen Arbeitsteilung?
Wie könnte die Arbeitsteilung jenseits der Wertproduktion gestaltet werden?
Bemerkungen zur Vision einer stark reduzierten Arbeitsteilung.

Technologie    

Der Einsatz moderner Technologie im kapitalistischen Produktionsprozess bringt Vorteile und Nachteile mit sich. Welche sind das und weshalb ist das so?
Welche Kriterien könnten für die Technologie in einer alternativen Gesellschaft maßgebend sein?
Ist die Naturzerstörung eine notwendige Folge der Entwicklung moderner Technologie?
Welches Potential steckt in der Technologie bezüglich der Überwindung des Kapitalismus?

Planung    

Auch im Kapitalismus wird geplant – allerdings von Betrieb zu Betrieb und nicht gesellschaftlich. Die Planung der Produktion wird nur allzu oft von der „Marktentwicklung“ konterkariert.
Eine Produktion jenseits von Privateigentum an den Produktionsmitteln, Konkurrenz und Tauschwert könnte auf Basis einer gesellschaftlichen Planung durchgeführt werden.
Weshalb stößt die Vorstellung einer gesellschaftlichen Planung des Produktionsprozesses selbst bei Kritikern des Kapitalismus auf Ablehnung?

Volltext    

Arbeitsteilung, Technologie und Planung jenseits der Wertproduktion

Im Hinblick auf eine Alternative zum Kapitalismus seien ein paar Überlegungen zur Arbeitsteilung, Technologie und Planung eingebracht. Wenn es darum gehen soll, den Produktions- und Reproduktionsprozess als „Verein freier Menschen“ bewusst gesellschaftlich zu gestalten, dann kommt man nicht umhin, sich auch mit diesen Charakteristika des Arbeitsprozesses auseinanderzusetzen. Die Überwindung des Kapitalismus kann wesentlich zielstrebiger angegangen werden, wenn sich die Kapitalismuskritiker zumindest in wichtigen und entscheidenden Punkten darüber einig sind, erstens was sie bezüglich des Kapitalismus für abschaffungswürdig erachten und zweitens wie die Alternative aussehen könnte.

Arbeitsteilung    

hat es schon vor der Entwicklung des Kapitalismus gegeben. Mit dem Kapitalismus erfuhr die Arbeitsteilung jedoch eine quantitative und qualitative Veränderung. (Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen von Marx im Kapital Bd.1, 12. Kapitel im Zusammenhang mit der Produktion des relativen Mehrwerts.)

Erstens wurden die Tätigkeiten der Produzierenden innerhalb der Manufaktur und später dann innerhalb Fabrik aufgesplittert. Nicht mehr ein Spezialist fertigte ein gesamtes Werkstück, sondern viele Spezialisten trugen mit Teilarbeiten zur Herstellung des Werkstückes bei. Dies bedeutete einerseits eine Trennung in „Kopf- und HandarbeiterInnen“, andrerseits die Spezialisierung vor allem der HandarbeiterInnen auf ganz spezielle Tätigkeiten, oftmals nur spezielle Handgriffe. Die ArbeiterInnen fungieren als Anhängsel der Maschine. Grund dafür ist die Wertproduktion: Die Arbeitskraft der LohnarbeiterInnen soll so rentabel wie möglich eingesetzt werden.

Zweitens kam es nicht nur zu einer Verbreitung der Arbeitsteilung innerhalb eines Betriebes, sondern es entwickelte sich auch die Fraktionierung in unterschiedliche Branchen und einer Spezialisierung innerhalb dieser Branchen. Die Herstellung eines Bekleidungsstückes, erfordert(e) z.B. das Pflanzen und Ernten der Baumwolle, den Transport zu den Textilfabriken, die Verarbeitung zum Gewebe, den Transport zur Bekleidungsindustrie, welche das Produkt fertigstellt, dann schließlich den Versand zum Handel. Daran beteiligt sind auch die Produzenten der Maschinen, welche für die Herstellung des Bekleidungsstückes benötigt werden, und andere Zulieferbetriebe (Chemie etc.). Der Bau der Maschinen zur Herstellung des Bekleidungsstückes erfordert wiederum die Lieferung von Rohmaterial etc. etc.

Aber auch innerhalb einer Industrie erfolgte eine Spezialisierung: in Unterwäschehersteller, Sockenproduzenten etc. etc.

Mit dem Kapitalismus wurde auch durchgesetzt, dass die Produzenten ihre Produkte nicht für sich selbst oder die Herrscher herstellen, sondern für den Verkauf am „Markt“. Das Kritikable in meinen Augen daran ist nicht, dass die Produkt für andere, also nicht unmittelbar nur für sich selbst, zum Verbrauch und Gebrauch hergestellt werden, sondern dass die ProduzentInnen (ArbeiterInnen) vorerst einmal von einem Gebrauch bzw. Verbrauch der hergestellten Produkte ausgeschlossen sind: Nur mit Geld können die Produkte bzw. Güter erworben werden. Ihre Versorgung bemisst sich also an dem ihnen zur Verfügung stehenden Geld. Die Produktion selbst wird dem Prinzip G-G‘ unterworfen, was eben für die meisten sehr unerquickliche Arbeitsbedingungen und existentielle Unsicherheit bedeutet.

Meine Kritik setzt also an den bestimmten Ausformungen der Arbeitsteilung im Kapitalismus an, nicht an der Arbeitsteilung prinzipiell.

Es erscheint für mich sinnvoll, in einer alternativen Ökonomie die gesellschaftliche Produktion und die damit verbundene Arbeitsteilung beizubehalten. Folgende Überlegung könnte dann die Struktur der Arbeitsteilung bestimmen:

Wie kann die Versorgung, bzw. die Produktion der benötigten Güter möglichst produktiv geleistet werden, ohne die Produzenten in eine „knechtende Unterordnung unter die Teilung der Arbeit“ zu zwingen.

Kommt es in einer Gesellschaft nun nicht auf die Produktion von Waren, also Wertträgern, sondern auf die Erstellung von Gütern an, die gemäß den Bedürfnissen und dem Bedarf verteilt werden, und kommt es nicht mehr auf Rentabilität (sondern nur mehr auf Produktivität) an, so verändert sich auch der Charakter der Arbeit.

Die Arbeitsbedingungen werden im Sinne der Arbeitenden gestaltet:

  • Verkürzung der Arbeitszeit,
  • Rotation der Arbeit,
  • Ersetzung monotoner Arbeiten durch Automaten,
  • Minimierung belastender Arbeitsbedingungen.
Die Arbeitenden werden für mehrere Tätigkeiten ausgebildet und wechseln ihre Tätigkeiten sowohl innerhalb eines Betriebes als auch zwischen den Branchen. Wie die Arbeiten innerhalb des Betriebes aufgeteilt werden, entscheidet das jeweilige Produktionskollektiv. (Sicherlich wird es auch Tätigkeiten geben, wo ein häufiger Wechsel keinen Sinn macht, etwa bei ChirurgInnen. Wobei damit nicht gesagt ist, dass diese Tätigkeit ein Leben lang ausgeübt werden wird.)

Ist die kapitalistische Konkurrenz der Betriebe außer Kraft gesetzt, erscheint es auch sinnvoll zersplitterte Produktionseinheiten zusammenzulegen, so ähnlich wie die Kombinate im „Realen Sozialismus“. Ist die Technologie soweit fortgeschritten, dass die Produktion auch in kleinem Maßstab die Deckung des Bedarfs ermöglicht, so spricht allerdings auch nichts gegen eine Redimensionierung und Regionalisierung der Produktionsbetriebe. Die „große Industrie“ ist also kein Muss in einer arbeitsteiligen alternativen Ökonomie, wenn es gelingt, die Automation auch in kleinerem Maßstab produktiv anzuwenden. (In der rohstoffverarbeitenden Industrie, wie z.B. bei Stahlwerken, wird es wahrscheinlich nicht sinnvoll sein, in jeder Region ein Werk zu errichten).

Nun gibt es auch Vorstellungen, welche eine Redimensionierung in noch weiterem Maße propagieren, nämlich als kleine Selbstversorgereinheiten, als landwirtschaftliche Kommunen mit integrierten handwerklichen Betrieben. Dieses zurück zur Einfachheit würde die Arbeitsteilung und die Kluft zwischen Produzenten und Konsumenten reduzieren, hätte dann jedoch nichts mehr mit gesellschaftlicher Produktion zu tun. Sollte sich diese Vorstellung durchsetzen, so könnten technische Errungenschaften wahrscheinlich nicht mehr aufrechterhalten bzw. weiterentwickelt werden. Die Herstellung von Computern, Automaten, das Internet oder gewisse Techniken im Bereich der Medizin wären dann in Frage zu stellen. Es ist nicht auszuschließen, dass solche Selbstversorgereinheiten auch in einer Alternative, in welcher gesellschaftlich produziert wird, Platz hätten, ja diese könnten sich schon innerhalb des Kapitalismus bilden. Dies jedoch als allgemeines gesamtgesellschaftliches Projekt zu propagieren, halte ich für einen Schritt in die falsche Richtung.

Technologie    

In meiner Studie bezüglich der Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie stellte ich fest, dass der Technologieeinsatz im kapitalistischen produktiven Bereich die Arbeitsbedingungen verbessert und verschlechtert. Einerseits ersetzen Maschinen bzw. Automaten gewisse körperlich anstrengende Arbeiten, andrerseits gibt es noch Arbeiten die jeweils aus einem Handgriff bestehen und sehr schnell durchgeführt werden müssen. Die Aufsichtstätigkeiten nehmen zu, was im Kapitalismus nicht unbedingt eine Entlastung bedeutet. Gesundheitsgefährdungen durch Staub, Chemikalien, Lärm etc. bleiben bestehen, da die Beseitigung der Schadstoffe sich oft kontraproduktiv zum Zweck der Wertproduktion verhält.

Die Entwicklung neuer Technologien revolutioniert(e) die Arbeitsprozesse. Doch im Kapitalismus ist es nicht der Zweck, dadurch die Menschen von psychischer und physischer gesundheitsgefährdender Arbeit zu entlasten. Der Automat setzt u.a. Arbeitskraft frei, was im Kapitalismus nicht Arbeitsentlastung und Hebung der Lebensqualität sondern oft Unbrauchbarkeit und Verarmung der Arbeitskraft bedeutet. Der Grund dafür ist das Produktionsverhältnis mit dessen Wertproduktion und nicht die Technik. Es ist meines Erachtens also fehl am Platz, sich einer modernen Maschinenstürmerei zu verschreiben, sondern es ist vielmehr angebracht, sich dem Sturm auf die Wertproduktion zu widmen.

Der Einsatz der Technologie im Produktionsprozess unterliegt im Kapitalismus hauptsächlich dem Kriterium der Rentabilität. Ist der Rentabilitätsgesichtspunkt obsolet so hätte die eingesetzte Technologie folgenden Kriterien zu genügen: Erstens wie sehr sie den Menschen von mühseliger und gesundheitsgefährdender Arbeit entlastet und zweitens wie sehr sie die Produktivität befördert und damit zur Versorgung der Leute beiträgt. Schon mit dem heutigen Stand der Technik wäre in dieser Hinsicht viel zu leisten. Aufbauend auf die heutigen Kenntnisse und mit forcierten Anstrengungen den alternativen Kriterien gerecht zu werden, ließe sich da wahrscheinlich innerhalb relativ kurzer Zeit einiges erreichen.

Der Umgang mit der Natur zur Herstellung moderner Technik ist zweifellos zu kritisieren. Heutzutage sind für die Herstellung und den Betrieb moderner technischer Geräte z.B. Erdöl, seltene Erden etc. d.h. auch Bergbaubetriebe notwendig. Naturzerstörung und Umweltverschmutzung werden im Kapitalismus diskutiert und es wird ansatzweise versucht Umwelt und Wertproduktion miteinander zu versöhnen – mit spärlichen Erfolgen. Mit der Abschaffung der Wertproduktion wird auch der rücksichtslosen Ausbeutung der Natur Einhalt geboten. Weshalb sollte es durch zielgerichteten Einsatz der Wissenschaft nicht gelingen, die Rohstoff- und Energiegewinnung in nachhaltiger Art und Weise zu gestalten? (Schon heutzutage gibt es Technologien, welche als „nachhaltig“ bezeichnet werden können, welche aber an ihrer „Marktreife“ scheitern. Spielt der Markt keine Rolle mehr, kann auch in dieser Hinsicht schon vorhandene nachhaltige Technologie herkömmliche Technologien ersetzen.)

Im Hinblick auf Arbeitsteilung und Technologie jenseits der Wertproduktion braucht nicht alles Kapitalistische beseitigt bzw. weggeschmissen zu werden. Das Wesentliche ist, dass der kapitalistische Stachel für Arbeitsteilung und Technologie, nämlich kurz gesagt G-G‘ beseitigt wird, um beides im Sinne eines guten Lebens für alle entfalten zu können.

Politökonomisch bedeutet dies, die Produktion und die damit verbundenen Leistungen dem Marktmechanismus zu entziehen und in einen Planungsverbund einzubeziehen (siehe nächsten Abschnitt). Wissenschaftlich gesehen bedeutet es die Entwicklung von Technologien, welche die Arbeitskräfte entlasten und die Natur schonen bzw. nachhaltig nutzen.

Es ist kein leichtes Unterfangen, dies innerhalb des Kapitalismus zu etablieren. Ich teile nicht den Standpunkt, dass die Technologie, wie z.B. die moderne Nachrichtentechnik die Wertproduktion aushebeln kann, aber sie kann den Übergang zu einer Produktion jenseits der Wertproduktion erleichtern. (Auch die Wertproduktion, der Kapitalismus, wurde durch die Technologieentwicklung vorangetrieben, grundlegend für diese Entwicklung waren jedoch das bürgerliche Recht und das damit eingerichtete Produktionsverhältnis.)

Planung    

Es wäre unkorrekt zu behaupten, dass es in der arbeitsteiligen kapitalistischen Produktion keine Planung gäbe. Jeder nach betriebswirtschaftlichen Maßstäben geführter Betrieb plant seine Produktion und seine finanzielle Gebarung (Budgetierung). Doch was diese Planung „wert“ ist, entscheidet letztlich „der Markt“. Eine gesamtgesellschaftliche Produktionsplanung findet nicht statt. Auch die Budgetierung des bürgerlichen Staates ist von der Entwicklung des Marktes abhängig (wenn auch in andrer Art und Weise als die der Unternehmen)– und diese Entwicklung ist nicht planbar und kann auch kaum vorausgesehen werden. Ebenso ist die individuelle Lebensplanung in materieller Hinsicht für die meisten Menschen nicht möglich.

In meinem Modell der „bedürfnisorientierten Versorgungswirtschaft“ gibt es kein Privateigentum, kein Geld, keine Lohnarbeit, keinen Markt.

Die Bedürfnisse bzw. der Bedarf werden ermittelt und auf Basis dieser Daten wird die Produktion organisiert. Befreit von der Kalkulation in Preisen, zählen nur technische Größen, wie Menge, Qualität, Maschinenkapazität, Arbeitszeit.

Die Planung der gesellschaftlichen Produktion ist überflüssig, wenn die Versorgung der Leute hauptsächlich auf Selbstversorgereinheiten beruht.

Sie ist nicht machbar, wenn sich die notwendigen Arbeitskräfte der Planung entziehen und nicht in entsprechendem Ausmaß der gesellschaftlichen Produktion zur Verfügung stehen (wollen). (Ein drastisches Beispiel: Jemand müsste dringend operiert werden, aber es steht kein Chirurg zur Verfügung, da es zu wenige gibt und/oder keiner zu dieser Zeit an Ort und Stelle ist.)

Der Entwurf einer gesamtgesellschaftlichen Planung erfreut sich bei Kritikern des Kapitalismus seltsamerweise keiner großen Beliebtheit. Dies ist insofern seltsam, da mit der Abschaffung des Kapitalismus die Möglichkeit gegeben ist, eine zielgerichtete Planung der Produktion vorzunehmen, eine Planung die nicht vom Markt konterkariert wird. Wenn man diese Möglichkeit als Planwirtschaft bezeichnet, erntet man noch mehr Missfallen.

Dies liegt vor allem wohl daran, dass sich die Ökonomie des Realen Sozialismus als solche bezeichnete und diese zu Recht nicht als eine Vorlage für eine menschfreundliche Organisation der Ökonomie jenseits der Wertproduktion dienen kann. Es wurde zwar das Privateigentum abgeschafft, jedoch die Wertproduktion und ihre Bindung an Geldgrößen beibehalten. Es kann nun nicht näher auf die Unzulänglichkeiten dieser Planwirtschaft eingegangen werden. (Wer darüber mehr wissen will, findet eine ausführliche Behandlung dieses Themas in meinem Buch über die „bedürfnisorientierte Versorgungswirtschaft“).

Doch beim Missfallen über die Planwirtschaft wird gar nicht dieser spezielle Zugang der Realen Sozialisten zur Planwirtschaft kritisiert, sondern es werden andere Punkte vorgebracht. Einige dieser Punkte seien kurz angeschnitten und mit einer ebenso kurzen Entgegnung versehen.

„Wir wollen nicht, dass unsere Bedürfnisse geplant werden.“

Da liegt wohl eine Verwechslung vor. Es soll die Produktion gemäß den vorhandenen Bedürfnissen und des Bedarfs geplant werden. Dass es Diskussionen darüber geben wird, welche Bedürfnisse berücksichtigt werden können und welche nicht, davon kann ausgegangen werden.

„Eine Planung der gesamten Produktion ist zu komplex“.

Wenn es gelingt, einen Satelliten auf einem Kometen landen zu lassen, dann wird wohl diese Übung auch gelingen.

„Wir wollen nicht zentral von Bürokraten gesteuert werden“.

Wie die Planungsregionen miteinander vernetzt sind und ob es einen Zentralcomputer gibt, der alles erfasst, ist eine organisatorische Frage. Dass nur ein paar Menschen wichtige Entscheidungen bezüglich der Produktion treffen, kann durch Mitbestimmung in verschiedenen Gremien verhindert werden.

„Wir wollen arbeiten was, wann und wie wir wollen und nicht einer Planbehörde unterworfen sein.“

Wenn der Großteil der Menschen nicht bereit ist 2 bis 4 Stunden dort einer Tätigkeit nachzugehen, wo sie gebraucht wird, dann ist wahrscheinlich auch das „gute Leben für alle“ eine Schimäre (siehe Chirurgen Beispiel).

Diskussion    

Franz Nahrada : Kritik des Arbeitsteiligkeitsprinzips    

Danke Fred !

ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, ein paar erste Gedanken zu Deinem Papier für das Wiener Demonetarisierungstreffen am kommenden Samstag (unten in voller Länge nochmal zitiert) zu formulieren, endlich scheinen die Dinge ein wenig in Gang zu kommen. Weils mir wichtig scheint, auch an ein paar übliche Suspects die ihr Kommen zugesagt haben oder auch nicht.....bitte dieses Schreiben nicht per email diskutieren, sondern besser hier:

Grundsätzlich teilen wir die Auffassung, dass eine Kritik des Kapitalismus nicht automatisch die Gestalt seiner Alternative mit sich bringt, ebensowenig wie die Erforschung der Gesetze der Aerodynamik uns den Bauplan eines Flugzeuges liefert. Das war ein Fehler, mit dem wir und relevante Teile der Linken vielleicht auch dazu beigetragen haben, dass sich eben die Kritik des Kapitalismus nicht durchgesetzt hat.

Es ist daher wichtig und richtig die Selbstverständlichkeiten Revue passieren zu lassen, die wir schon immer für erledigt hielten, und in der positiven Ausführung auch die Notwendigkeiten der Präzisierung und auch Erforschung von Neuland aufzuspüren. Das ist - wie auch immer - die Grundlage unserer bescheidenen Initiative, die doch wichtig und dringlich ist.

Ich seh aber noch kaum wirkliche und substantielle Fortschritte gegenüber dem, was der linke Mainstream ohnehin schon immer gesagt und gepredigt hat.

Insoferne ein paar unorthodoxe Gedanken zur

Arbeitsteilung    

diese ist wie Du auch eingangs anführst, kein unbelasteter Begriff. Schon die Antike kannte eine Ideologie, die dem herrschaftlichen Unterbau der Gesellschaft einen Schein der Notwendigkeit verlieh (z.B. Krieger, Philosophen -Politiker und Arbeiter), und wahrscheinlich sind solche Ideologien über die Zuteilung von Tätigkeiten älter.

" Systematisch stehen sich Autarkie und Teiligkeit des Handelns gegenüber, als Tendenzen aus allgemeinen Handlungsmaximen. Die Teiligkeit korrespondiert typischer mit der Entwicklung von Herrschaftskultur, insbesondere mit deren Bedarf an Monumentalgütern. Die Autarkie korrespondiert hingegen eher mit einer Kultur des Clan- oder Familienverbands und einem Bedarf an Ritualgütern. Das Ritual verkörpert die Wiederholung und das Gleichartige, das Monumentale die Einzigartigkeit.- Die Sesshaftigkeit korrespondiert mit Herrschaft aus Teiligkeit, was mit der Verfügbarkeit und Abhängigkeit der Akteure zu tunhat; der Nomadismus korrespondiert mit der Autarkie als Bedingung der Unabhängigkeit. Die Sesshaftigkeit ist mehr am Ergebnis, der Nomadismus mehr an der Prozedur orientiert." (Aus dem Oikonomia - Papier)

Man sollte dem Terminus Arbeitsteilung durchaus mit einem gewissen Misstrauen und Skepsis begegnen, das machst Du ja auch wenn Du die feindliche Entgegensetzung von Hand - Und Kopfarbeit als "knechtende Unterordnung unter die Teilung der Arbeit“ zitierst.

Zusätzlicht stellt sich ja die Frage, ob der Begriff von Arbeit, den wir haben, überhaupt Sinn macht. Bei Marx ist der Begriff noch ein Amalgam aus vorausschauender Tätigkeit und den Mühen im Vollzug der Aufhebung der Differenz von Ziel und Ausgangslage. Zugleich ist Arbeit im Sinne abstrakter Arbeit das Maß von Aneignungsmacht auf gesellschaftlichen Reichtum. In diesem Sinn wird die produktive Tätigkeit subsummiert unter den Zweck Zugriffsmittel (werthaltige Waren) zu schaffen.

Dir ist auch klar, dass die große Industrie nicht einfach eine rationellere Produktionsform darstellt, sondern immer das Mittel der effektiven Kapitalverwertung darstellte. So ist sie in die Welt gekommen, durchaus als Enteignung von Wissen und Können, und in ihrer letzten und absurden Form als globale Gesamtfabrik auf der Grundlage fossiler Energien hat sie mehr Schaden auf dieser Welt angerichtet als jemals eine menschliche Aktivität zuvor.

Man kann mit einer gewissen Berechtigung sagen, dass die derzeitige Form der Produktion eine künstliche Hochskalierung der Produktion und der Märkte darstellt, die sich der Waffe der hohen Stückzahl und der niedrigen Stückkosten bedient, um Konkurrenz auszuhebeln und Anhängigkeiten zu etablieren. Die dazu eingerichteten Verkettungen und Vernetzungen, der Weg vieler Produkte durch eine immense Anzahl und Distanz von Produktionsstätten lassen sich per se nicht als vernünftig darstellen, sondern sind historisch geworden und auf ihrer eigenen Grundlage treibhausmäßig gewuchert.

Das betrifft auch die Form und Funktion vieler Produkte selber, vor allem dort wo sie "Werkzeugcharakter" annehmen. Unnötige Differenzierung, Auseinanderfallen in verschiedene Produkte die eigentlich kombiniert werden könnten ist eine dieser (kapitalistischen) Formbestimmungen. Eine Bewegung namens Open Source Ecology hat zum Beispiel ein "modulares" und integratives Technologieset entwickelt, wo vom Lasercutter über Antriebsaggregate und Traktoren ein wesentlich höherer Grad der Interoperabilität der Produkte (modulares Lego Prinzip) erreicht werden soll.

All das legt nahe, wirklich fundamental reinzuschauen in die Technologie und zu sehen, was sie bewirkt, ob es sich nicht um Prothesen handelt, die den zuvor Amputierten verkauft werden. Und tiefer zu blicken, in die Konstitution von Gesellschaft als ein naturwüchsiger Komplex subtiler Erpressungen. Unbenommen dass auch eine solche Gesellschaft einiges ermöglicht, was es ohne sie nicht gäbe - aber dieser "Bedingungsfehler" ist Dir ja im Prinzip wohlbekannt.

"Autarkie" und Arbeitsteilung    

Nichts könnte verkehrter sein, als den Terminus "gesellschaftlich" bzw. den Standard der Produktion in Gegensatz zu stellen zu den tatsächlichen Autarkiemöglichkeiten, wie Du andeutest: "Sollte sich diese Vorstellung durchsetzen, so könnten technische Errungenschaften wahrscheinlich nicht mehr aufrechterhalten bzw.weiterentwickelt werden. Die Herstellung von Computern, Automaten, das Internet oder gewisse Techniken im Bereich der Medizin wären dann in Frage zu stellen".

Sic et non. Meiner Ansicht nach ist es genau umgekehrt: es korrespondieren - zumindest ab einem bestimmten historischen Zeitpunkt, in dem wir mittendrinnen sind - ganz bestimmte gesellschaftliche Infrastrukturen mit der realen Möglichkeit der Herstellung von mehr - das Wort ist cum grano salis zu nehmen - Autarkie: der Computer und Automat (jeden Tag gibt es neue Fortschritte bei den 3D Druckern) reaktualisiert "handwerkliche" Dimensionen, verbindet Produzenten zu kooperativen Netzwerken, erlaubt ihnen, gemeinsam an partizipativen Ressourcen und individuell an ihrem jeweiligen Ziel zu arbeiten. Das ist im Kern der Gehalt der Open Source Revolution, die heute in verschiedensten Feldern durchaus erfolgreich ist, weit über die Software hinaus.

Aber diese Revolution stellt ganz grundsätzlich etwas auf die Tagesordnung, was viel tiefere und universellere Bedeutung hat. Natürlich kann man sich ausmachen im Lebensvollzug Tätigkeiten zu teilen, von der Familie über das Dorf oder die Gemeinschaft zu beliebig großen Einheiten. Bei Marx besteht aber (morgens, mittags, nachmittags, abends - fischen, jagen, kritisieren etc.) noch die Erinnerung daran, dass gerade die Beherrschung möglichst vieler Elemente des gesellschaftlichen Lebensvollzugs reale Emanzipation und Freiheit ausmacht. Man könnte begrifflich "Vergesellschaftung" von "Kooperation" unterscheiden, wobei letztere temporär, marginal, aufhebbar, und vor allem ohne Retardierung der Eigenkompetenz vorzustellen ist.

Die Ansicht, dass die Eigenkompetenz für die Gesamtheit der Lebensführung (zumindest entwickelter Standards) überhaupt nie umfassend gegeben (oder möglich gewesen) sein könne, blockiert die Wahrnehmung ihrer systematisch gesellschaftlich betriebenen Retardierung.

Produktion wird traditionell als Ausstoß einer Menge von fertigen konsumierbaren Produkten gesehen werden, deren Verteilung dann Probleme macht. Dann treten alle möglichen Probleme rund um Aufwand und Ertrag auf, Aneignung von und Streit um fremde Lebenszeit. Sich verkaufen und dafür einkaufen können geht nur auf der Basis unausweichlicher Teiligkeit und der dabei immer im Hintergrund lauernden Gerechtigkeitsproblematik - sie ist die Grundvoraussetzung einer verbreiteten Spekulation: machen lassen zu können, schmeichelt dem Gemüt mehr als, als die Gewißheit der (eigenen) Fähigkeit zur Problemlösung. Und dieses eigentümliche - und wie oben angedeutet jahrtausendalte - Machtdenken setzt sich selbst über die Kalkulation von "Vorteilen" hinweg: man ist sogar bereit, eine Egalität im Anspruch auf gesellschaftlichen Wohlstand anzuerkennen, wenn er nur arbeitsteilig geregelt ist.

Der angegraute "Held der sozialistischen Arbeit" zeigt in seinem Insistieren auf der Arbeitsteilung letzlich den gleichen Machtanspruch auf fremde Lebenszeit, wie der abgefeimte Neoliberalist. Wie wir aber wissen, setzt sich erstens die Gesellschaftsform durch, die für diesen Machtanspruch besser geeignet ist, Stichwort "Privatmacht des Geldes". Und zweitens haben gerade die Helden der Arbeit kein Problem damit gehabt, sich zu Auspressern und/oder Oligarchen zu mausern. Ist das wirklich ein ewiges "Abweichen", "Verraten" sozialistischer Ideale oder liegt es vielleicht in der Natur der Sache?

Jenseits der Arbeitsteilung    

Ich möchte wirklich mich mal einen Moment auf den Standpunkt stellen, ja, es gibt einen Zusammenhang zwischen der Arbeitsteiligkeit als gesellschaftlichem Dogma und all den unschönen Formen, die von Wert und Geld bis hin zu direkter politischer Gewalt reichen, in denen sich eine teilige Gesellschaft der Aneignung fremder Lebenszeit widmet.

Man könnte diese Gesellschaftsform, der Arbeitsteiligkeit prinzipiell nicht zum Problem wird als eine der aktiven, berechnenden, hedonistischen Spekulation bezeichnen

Demgegenüber würde ich "autonomistische" das Bild oder Muster eines "passiven Universalismus" als fundamentalen postmonetären Gesellschaftsentwurf - oder vielmehr als innere Einstellung der Gesellschaftsmitglieder, denn ein Gesellschaftsentwurf auf dieser Basis erfordert sehr viel mehr - in den Raum stellen. Ein anderer Name, wenn er nicht schon besetzt wäre, wäre "kooperativer Individualismus", ein Terminus von Franz Hörmann. Man könnte überspitzt sagen, dass eine solche Gesellschaft davon ausgeht dass jeder Mensch, so er nicht krank oder behindert ist, imstande ist seine Angelegenheiten selbst zu regeln und nicht für den Vollzug seines Lebens sich vom Leben anderer etwas dazuholen muß. Dies ist nun alles andere als eine Robinsonade, sondern im Gegenteil eine Grundvoraussetzung für die Konstitution eines "Vereins freier Menschen". Dann beruhen nämlich alle Arrangements nicht auf einem "muß", sondern auf dem berühmten Interesse, das einer selbst hat!

Dann wird aber die ganze Welt der Arbeit - oder sagen wir besser der Produktion - komplett umgestaltet!

Die Trennung zwischen der konzeptionellen Seite und der physischen Seite der Angelegenheit ist dabei eine enorm wichtige und zentrale Unterscheidung. Die Eigenarbeit spielt sich im Bereich der Nutzung der partizipativen Ressourcen ab, der Aufwand zur Erzeugung der partizipativen Ressource hingegen ist kooperative Angelegenheit, und bemisst sich nicht am Aufwand der anderen, sondern am eigenen Interesse dass es so etwas geben soll.

Das heißt, die Herstellung des Wissens und der gemeinsamen Produktionsvoraussetzungen (Automatenpark oder "gesellschaftlicher Gesamtautomat") ist tatsächlich der Kern der gesellschaftlichen - na sagen wir eher "Urbeit", weil dies die Voraussetzung für die Entfaltung jedes einzelnen ist. Das kann auch bedeuten und bedeutet es praktisch, das Entstehen von immer mehr Produzentencommunities praktisch zu befördern, eine weltweite Allianz für technische Unterstützung zu bilden und so weiter. Solidarität mit einem materialen Inhalt!

Nur so ist für mich "gesellschaftliche Arbeit als Systembegriff" denkbar.

Es ist völlig klar, dass sich dieser Kooperative Individualismus nur auf Basis einer hohen Priorisierung von Bildung und Ordnung des Wissens denken lässt. Praktisch bedeutet das, daß Aneignung und Bearbeitung von Wissen einen großen Raum einnehmen in der Entwicklungszeit jedes Individuums, dem möglichst vieles von Angewiesensein auf fremde Lebenszeit erspert werden soll.

Dem Autonomismus ist die Ordnung und der Zusammenhang des Wissens zentral, gerade weil Technologie zunehmend die "Urbeit" repräsentiert, die unendliche Vielfalt von Gestaltungsmöglichkeiten (Designs) aus einem Set von Algorithmen und Urbildern - Mustern. Die Herstellung dieser Repositorien ist der kulturelle und produktive Kern einer autonomistischen Gesellschaft.

Die Kompetenz eines jeden Individuums soll so weit reichen, alle Tätigkeiten des Lebensvollzugs prinzipiell verstehen zu können, und wenn man sich Hilfe holt, dann ist es keine, die den Totpunkt verewigt, sondern einem möglichst rasch drüber hinweghilft. Ich gehe also nicht auf andere zu indem ich mich ihrem Urteil über mein Wohlergehen, mein Ziel etc. überlasse, sondern indem ich selbst die Kompetenz (wozu auch immer) stärker erlange. Diese sogenannte passive Kompetenz besteht auch darin, den Kontext für die Hilfe, die eigene Lebensperspektive und Kontexte selber darstellen zu können.

Wer davon angetrieben ist, sucht nach möglichst weitgehendem Verständnis aller Lebensvorgänge, um nicht durch die Hilfeleistung von anderen zu geraten, die natürlich auch immer Zwecke importiert, die den eigenen Lebensvollzug / Lebensentwurf beeinträchtigen. Bestmögliche Zielerreichung stellt sich dar als möglichst geringe wechselseitige Störung an den Schnittstellen der Menschen.

Die Ordnung des Wissens    

Dementsprechend ist Wissen zu strukturieren und zu ordnen; Einerseits Schichtenorientierung - das heißt es gibt verschiedene Tiefen des Wissens, und es gibt einen Überblick in der Wissensaneignung, die von jedem Punkt einen Gesamtüberblick ermöglicht. Andererseits Neutralitätsorientierung - anstelle kasuistischer, fokusierter, spezialistischer Einzellösungen auf ein bestimmtes Ziel hin (wie es heutzutage üblich ist, wie z.B. in der Medizin wo der Kardiologe und der Radiologe einfach additive Befunde abgeben ) - an jedem Punkt offen zu sein für verschiedenste Zielbestimmungen. Die Bedeutung des Abstrahierens im formalen Sinn ist dabei immens. Die intuitive Vorgangsweise hingegen ist enorm problematisch.

Unterschiedliche Strukturierung des Wissens ergibt unterschiedliche Weltbilder und Handlungssysteme!

Diese kurz dargestellte Relevanz der Ordnung und Darstellung des Wissens tritt HEUTE nicht zutage, weil der hedonistischen Mehrheitsgesellschaft - wiederum bis in die akademischen Schichten hinein und gestützt durch die politische Inaugurierung einer Autorität der institutionellen Wissenschaft, Bildung, Medizin, etc. - das Interesse an der Ordnung von Wissen vollkommen abgeht. Mehr noch, der Blick darauf wird absichtlich verstellt. Es ist ein politisches Diktat, gestützt auf hedonistischen Opportunismus, daß die Behauptung, in einem menschlichen Hirn haben 10 akademische Disziplinen Platz, für Wahnsinn gehalten wird. Der hedonistische Opportunismus liegt dabei in dem Wahrnehmungsschema, daß eine Beschäftigung mit dem "Allgemeinen" ein Erlebniszeitverlust ist, liegt meist in der erbärmlichen und zudem unlogischen Auffassung, daß der "Sinn" des Lebens im "Konkreten" zu suchen ist ("Hast Du heute schon gelebt ?" ....)

Es erscheint ja erstmal plausibel zu sagen: Teiligkeit wird akzeptiert, wenn sie notwendig ist. Aber das ist eine gefährlich suggestive Sache. Was heißt denn "notwendig" - verkürzt: es gibt ein Wissen darüber, daß y nur erreichbar ist, wenn x gegeben ist. Dann bedeutet die Konzession: ich muß Teiligkeit akzeptieren, wenn für ein beliebiges Ziel die Notwendigkeit der Teiligkeit verifizierbar ist. Notwendigkeit ist ein rein formales Kriterium, inhaltsneutral, kann alles rechtfertigen.

Ich werde also nicht gefragt, ob ich y überhaupt will - ich hab mich mit x, mit gesellschatlichen Bedürfnissen zu identifizieren ! Jetzt versuchen wir mal "gesellschaftliches Bedürfnis" auf die "Einsicht in Bedingungen menschlicher Existenz" zu reduzieren. Ich hab also solange zu leben und so zu leben, wie die Partei, die Medizin etc. - das durchschnittlich für "normal" hält. Der institutionalisierte Kampf um den "Gesellschaftswillen" und seine Benutzung ist dann unvermeidbar. Die Mehrheit ist dann ein beliebtes Argument. Akzeptiere ich diesen Notwendigkeitsbegriff als Zwangsargument für Vergesellschaftung, dann kann ich Vergesellschaftung als Zwang in beliebiger Form einfordern. Umgekehrt - lasse ich diese Notwendigkeit nicht zu, dann erst kann der Mensch einen begründeten Lebensentwurf aus sich heraus entwickeln - mit all dem was ich oben als Konsequenz hingeschrieben habe.

Die Alternative die wir wollen müsste auch eine der Freiheit sein, gesellschaftlich gesetzte Standards und Zuschreibungen zurückweisen zu können. Der Syriza - Finanzminister Varoufakis hat es sehr pointiert ausgedrückt, auch wenn er letztlich die Aufgabe nicht versteht und davor kapituliert: "Im 20. Jahrhundert haben sich zwei politische Bewegungen auf das marxsche Denken bezogen, nämlich die kommunistischen und die sozialdemokratischen Parteien. Beide – zusätzlich zu ihren anderen Fehlern (und Verbrechen) – versäumten es zu ihrem eigenen Schaden, Marx in einer zentralen Hinsicht zu folgen: Anstatt Freiheit und Vernunft als die zentralen Schlachtrufe und Konzepte zu übernehmen, entschieden sie sich für Gleichheit und Gerechtigkeit und überliessen so das Konzept der Freiheit letztlich den Neoliberalen" (sehr interessanter und provokativer, speziell für uns, Artikel: http://www.woz.ch/-5a79)

Andreas Exner    

Lieber Fred, lieber Franz!

Vielen Dank für eure sehr guten Beiträge, Aufschläge zu einer Debatte, der ich mich letzthin weniger gewidmet habe als das vor einigen Jahren noch der Fall gewesen ist.

Warum ist mein Interesse daran momentan etwas erlahmt?

Nun, ich kann keine vollständigen Antworten darauf geben, doch der Versuch einer Antwort beinhaltet vielleicht Elemente, die in besagte Debatte Eingang oder dort Berücksichtigung finden könnten. Dieser Versuch beinhaltet vielleicht auch Elemente einer erneuerten Standortbestimmung meines Interesses an Gesellschaftskritik und kritischer Strategie. Insofern beziehe ich mich darauf wie auf eine alte Bekannte, aber als ein anderer der früher mit ihr Kontakt gepflegt hat. Dabei werde ich es bei Notizen bewenden lassen (müssen).

Die Argumentationen von Fred und Franz beziehen unterschiedliche Perspektiven, denen verschiedene Annahmen unterliegen. Eine davon betrifft die Frage der Subjektivität, also des Selbst- und Weltverständnisses von Individuen, die in ihren Beiträgen einer gesellschaftlichen Transformation und Zielbestimmung vorausgesetzt werden müssen. Etwas verkürzt könnte man vielleicht sagen, Fred argumentiert auf der Grundlage einer fordistischen, Franz auf Basis einer post-fordistischen, post-modernen Subjektivität.

Ich würde mich fragen, ob diese Subjektivitäten vorausgesetzt werden können und ob sie vorausgesetzt werden sollen.

Eine erste Frage ist: von welchem Standpunkt aus diskutieren wir eine Transformation? Ich glaube, wir sollten uns bewusster werden, dass wir von einer recht spezifischen Subjektivität aus argumentieren, oder Entwürfe verfertigen, die als solche nicht die weltweit vorfindlichen Subjektivitäten einbezieht. Dies wäre für mein Dafürhalten aber erfordert, wollten wir Fehler und Zumutungen früherer Transformationsdebatten vermeiden.

Eine zweite Frage ist: welchen Stellenwert sollen solche Überlegungen zur Transformation haben? Mein Zugang dazu war früher einerseits ein taktischer - um Menschen von der Machbarkeit einer Abschaffung des Kapitalismus überzeugen zu können, hielt ich eine Art von Modellbildung für eine andere Gesellschaft für notwendig. Mir scheint inzwischen offen, ob dies der Fall ist und ob, wenn das der Fall ist, eine solche Modellbildung vorrangig die Produktion, oder was dafür jeweils gelten soll, zum Gegenstand haben sollte, oder anderes. Die wirkmächtigen Bewegungen der Moderne zielten immer auf die ästhetische Erfahrung als Kernmoment. Dies war eine Zielbestimmung, die motivierte, Leidenschaften entfachte, Widersprüche zu lösen schien, die in der modernen Subjektivität angelegt sind. In meinem in den Streifzügen erschienenen Artikel zur Frage des "neuen Menschen" kam ich darauf zu sprechen, nämlich ob es denn so klar wäre, dass eine radikal ästhetische Subjektivität auch ein Plansubjekt umfassen kann, wie es auf die eine oder die andere Art in den Modellbildungen von Fred und Franz durchscheint, in dem von euch aufgezogenem Rahmen vorausgesetzt werden muss. Mein Zugang zu Überlegungen in Hinblich auf eine Transformation war bei mir andererseits auch ein strategischer - allerdings würde ich das strategische Moment inzwischen zunächst einmal als eines fassen wollen, das sich an konkreten Problemstellungen heute vorfindlicher alternativer Lebens- und Produktionsweisen orientiert. Die Frage also ist, welche Handreichungen Modellbildungen einer Transformation auf dieser Ebene jeweils bieten können.

Wenn wir die Geschichte als eine Geschichte ohne Subjekt begreifen, was man meines Erachtens tun muss, und wenn wir das Subjekt nicht als einen klar umgrenzten physischen, emotionalen oder sozialen Ort betrachten können, wofür einiges spricht, sondern es dezentrieren, als ein in vielerlei Praktiken diskursiver und nicht-diskursiver Art verstreutes, und wenn wir Gesellschaft notwendig als Gesamtresultat einer Vielzahl solcher verstreuter und nicht notwendig zusammenhängender Praktiken verstehen, was meines Erachtens geboten wäre, dann stellt sich noch einmal die schon genannte Frage nach dem Stellenwert von Modellbildungen, wie wir sie - mit immer noch guten taktischen und strategischen Gründen genannter Art - betreiben.

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(C) Die Autoren changed: 10. Februar 2016