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Muster Der Demonetarisierung
 
Die Aufhebung des Kapitalverhältnisses erscheint im Moment seiner globalen alternativlosen Dominanz am Beginn des 21. Jahrhunderts als hoffnungslos utopisches Unterfangen.

Die Majorität der politischen Linken und vor allem ihre parlamentarisch verankerten Teile haben sich fast ausnahmslos mit der Realität der Warenproduktion arrangiert und versuchen sich an einer Systemkorrektur, ohne die Grundlagen Ware und Geld weiter in Frage zu stellen (Deswegen wird auch immer mehr von "Marktwirtschaft" als zu verteidigendes Gegenbild zu "Kapitalismus" gesprochen, und die Identität einer Gesellschaft in der der Markt die Produktion und Verteilung bestimmt mit dem sich daraus naturnotwendig ergebenden Zweck aus Geld mittels Maschinerie und produktiver Lohnarbeit mehr Geld zu machen abgestritten).

Das Geld erscheint in diesen Marktwirtschaftsutopien, die mitunter auch das Prädikat "Sozialismus" tragen, ohne jeden historischen Beweisfall als neutrales Vermittlungsmedium.

Freilich existieren noch Gruppen die die "klassischen" Denkmuster des Sozialismus hochhalten; die Vorstellung einer proletarischen Revolution oder eines graduellen Reformprozesses, einer historischen Mission der Arbeiterklasse, eines naturgesetzlichen Übergangs in eine neue Gesellschaftsformation unter der Leitung einer wohltätigen sozialistischen Staatsmacht mit einer veritablen Planwirtschaft. Dieser Vorstellung soll hier nicht das Wort geredet werden; im Endresultat haben diese Entwicklungen mehr von einer "nachholenden Modernisierung" und Akkumulation für die Ausstattung mit Selbstbehauptungsmitteln einer anders nicht behauptungsfähigen Nation gehabt.

Vieles davon hat sich als nämlich als Verklärung von (mehr oder weniger notwendigen) Anpassungs- und Entwicklungsschritten dieser Gesellschaft selber erwiesen. Wenn ehemalige sowjetische Kader zu Oligarchen mutierten oder in China die kommunistische Partei einen kapitalistischen Hochleistungsstandort aus dem Boden gestampft hat, dann ist es zuwenig, darin Abweichung und Verrat zu sehen; vielmehr ist die "nachholende Modernisierung" (Robert Kurz) an einen Punkt gekommen, der die Teilnahme am Weltmarkt und die Restitution der Privatmacht des Geldes zur Lebensfrage der jeweiligen politischen Herrschaft gemacht hat. Und umgekehrt wurden die Adaptivität und das selbstregulative Systemverhalten des Kapitals von der Linken sträflich unterschätzt.

Es ist wichtig daran festzuhalten dass Kapitalismus ein System der sich entfaltenden Wertformen ist - mit einem notwendigen Zusammenhang zwischen Ware, Geld, Kapital, Produktion für Profit, Zins und Grundrente unter lohnender Verwendung der Ware Arbeitskraft sowie der dafür notwendigen verselbständigten politischen Macht der Gesellschaft als Staat. Die historischen Leistungen dieses Gesellschaftssystems haben uns einen sehr selektiven Fortschritt von Wissenschaft und Technik beschert, sie haben aus der Welt eine vernetzte Gesamtfabrik mit Gewinner- und Verliererzonen gemacht, voller Rücksichtslosigkeit gegen natürliche Lebensgrundlagen und menschliche Bedürfnisse, soferne sie nicht zahlungsfähig sind, sowohl in den Zentren als auch in noch viel höherem Maß an den Peripherien.

Wenn Autoren wie Hardt und Negri von der "Multitude" als Gegensatz zum "Empire" sprechen, um die politische Verlaufsform einer sich totalisierenden und globalisierenden Verwertungsmacht zu beschreiben, dann ist das der durchaus richtige Hinweis, dass tatsächlich eine Menge verschiedenster gesellschaftlicher Gruppen unter den Auswirkungen des Systems leiden und eine Fülle von Reaktionen darauf möglich sind, die unter Umständen über die Logik des kapitalistischen Systems hinausführen.

Im folgenden widmen wir uns einer Kosmologie von Kräften, Strukturen und Mustern, die in einem synergetischen Prozess jenen Pol ergeben können, der letztlich die praktische Frage aufzuwerfen vermag, ob die elementaren menschlichen Beziehungen gefangen bleiben in einem System der sachzwanghaften Verwertungslogik oder ob wir zu einer selbstbestimmten Gestaltung unserer eigenen gesellschaftlichen Verhältnisse und Bedürfnisse imstande sind.

Eine politische Programmatik ist das nur im weitesten Sinn; eher so etwas wie ein Sensibiliserungsprogramm verschiedener politischer und metapolitischer Ansätze füreinander.

Zum Begriff des Musters

Dabei stützen wir uns auf eine Denkfigur, die gegenwärtig in vielen Wissenschaften das alte mechanistische Weltbild abzulösen sich anschickt. Systeme sind keine starr zusammengefügten Entitäten, sie ergeben sich als Resultat von einander befördernden und unterstützenden Konstellationen von immer wiederkehrenden, Problemlösenden und dynamischen Strukturen. Es ist also kein Widerspruch, dass Systeme Geschichte haben. Auch der Kapitalismus entstand aus einem multidimensionalen Zusammenwirken ganz verschiedener Dinge; Elemente die einander verstärkt haben und zu einer neuen Systemlogik nach dem Feudalismus führten.

Die Mustertheorie von Christopher Alexander hat eine paradigmatische Wirkung entfaltet bis hin zur Revolution in der Softwareentwicklung, weil sie diese förderlichen Beziehungen und Synergien in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen stellt und somit nicht nur Systemdynamiken erklärt, sondern auch Alternativen menschlichen Handelns und Gestaltens anzuleiten vermag. Muster sind unserer Gestaltung zugängliche, Probleme lösende, hilfreiche und belebende Elemente.

Pattern Mining für eine Mustersprache der Demonetarisierung

Im folgenden nur ein paar anfängliche Ideen für eine Sammlung von Mustern der Demonetarisierung, die erst in einer Mustersprache adäquat dargestellt werden können, dann nämlich, wenn die Verbindung, Verstärkung, Sequenz, Zusammensetzung etc. der verschiedenen Muster miteinander gekärt ist. Es steht zu hoffen dass wir durch dieses "Mining" eine genügend große Anzahl "Kandidaten" entdecken, vielleicht werden es ein paar hundert.

zu verweisen ist auf einige verwandte Projekte:

(" Patterns show up in one pattern language that are similar to, dependent on, or otherwise related to patterns in the other pattern languages. Given their shared grounding in wholeness and the fact that they seek wholeness in social systems and relationships – and their connections to natural systems – these resonances are not surprising. They suggest that each pattern language is – or could be reworked to be – a portal into a more comprehensive pattern language, the full DNA for the new civilization(s) we are trying to build." Tom Atlee )

Wir wollen uns im folgenden auf jene Muster konzentrieren, die im Zusammenspiel eine Minimierung der Rolle des Geldes und des Wertes in sozialen Beziehungen zur Folge haben.

Grundmuster menschlicher Beziehungen

Sind moralische und ethische Fragestellungen per se ideologisch oder geben sie das Fundament einer gesellschaftlichen Veränderung vor? Können wir brauchbare Muster und Basiskategorien auffinden, die immer wieder in der Geschichte als Desiderate aufgetreten sind und Motive, die wirkmächtig und einsichtig sind? Wo liegt der rationale Kern verhimmelter Werte wie Solidarität und Nächstenliebe?

  • "Denken als der Allgemeine Mensch": Der Imperativ der Vernunft: statt Naturwüchsigkeit und dem Beharren auf Je-Meinigkeit von Denken und Handeln Bewusstheit über das Ganze der gesellschaftlichen Beziehung, Bewusstheit über die eigene gesellschaftliche Bestimmtheit.
    • Das Kind, das spielt und seine Umgebung strukturiert, ist bemüht, eine Handlung zu finden, die nicht die praktischste, sondern die richtigste ist. Anspruch "was soll ich tun" an sich selbst. Entscheidung zwischen 2 (oder mehreren) Handlungen, die ihm freistehen. Ich verallgemeinere mich selbst, indem ich nicht nach dem Erfolg gehe, sondern nach der Richtigkeit. Ich versuch die neutralste Position zu finden. Handlung im Zug ihrer Wiederholbarkeit reflektiert.
    • Kant kennt das Prinzip der Verallgemeinerung, entwickelt es aber nicht aus dem Handeln, aus dem Praktischen. Sich selbst aus dem jeweiligen Konkreten herausheben (Selbststeigerungsprinzip). Eine Folge ist darüber Konflikte zu antizipieren und zu vermeiden.
    • Sich selber als "alter ego" wahrnehmen und behandeln. Permanenz der Bereitschaft, Handeln reflektiv zu optimieren. Ich bin nicht zufrieden mit der Lösung für den Augenblick. Singuläre Zielerreichung geht über in System miteinander kompatibler Zielerreichungen.
    • Damit ergibt sich die Chance, aus dem Verechnungsmodus auszusteigen..
  • Progressive Geschenkkultur - Mothering, Pay It Forward: "Der Mensch wird ärmer wenn er tauscht, er wird reicher wenn er schenkt: Logik der bewussten Förderung menschlicher Entwicklung" - "Einspeisung ins System bringt Kreisläufe in Gang"
    • Wenn ich jemanden auf der Straße treffe und frag ihn nach der Uhrzeit, dann wird der Mensch vermutlich ohne große Reflexion mir die Uhrzeit sagen, und nicht nach einer Remuneration fragen. Ich mach Dein Problem zu meinem Problem, weil ich an der Beseitigung von Defiziten und Mangelsituationen interessiert bin. Weil ich will dass ein System funktioniert. "Übertragung" des positiven "Spins" auf andere.
  • Erzeugung Partizipativer Ressourcen (nicht nur Wissen) - können alle benutzen, ohne dass es weniger wird. Menschen organisieren ihre Handlungen und sogar ihre Lebenswelten am Effekt, dass sie einen optimalen Beitrag leisten.
    • Commons - Allgemeinbenutzbarkeit von Gütern (auch durchaus im Sinn des ökonomischen Systems möglicherweise günstiger)
  • Technische Kompetenz im Sinn des Verstehens, Bedürfnis gescheit artikulieren und Subjekt von Veränderung sein können. Unnötige Komplexität vermeiden.
  • Diversität statt Gleichmacherei. Wert der Kulturen.
  • Willkürfreiheit => Gewaltfreiheit und das Nicht-Aggressions-Prinzip

Traditionelle Kulturmuster

In denen in verschiedenster Form der monetäre Konnex aufgebrochen und konterkariert wird.

Jenseits der Industriellen Gesellschaft

Ihren Höhepunkt und Umschlagpunkt erlebt die auf dem Geld fussende Gesellschaft in der industriellen Produktionsweise; Sie errichtet gewaltige Megamaschinen, die die Welt mit Waren überschwemmen und ihren Wert als Geld realisieren sollen. Mc Luhan (Understanding media: The extensions of man 1964) : “In terms of the ways in which the machine altered our relations to one another and to ourselves, it mattered not in the least whether it turned out cornflakes or cadillacs.” Die Maschine baut auf Resourcen, die sie mittels gewaltiger Kapitalvorschüsse aufkauft abtransportiert und am Produktionsort, der Industriellen Stadt, zusammenführt, um mittels der dort produzierten Warenmange einen Rückfluss an Kapital zu erwirtschaften. Jeremy Rifkin hat darauf hingewiesen, dass diese Logik angesichts des Fortschreitens der Automation zu einer tendenziellen "zero marginal costs" Situation führt, also einer dramatischen Senkung der durchschnittlichen Produktionskosten pro Stück. Damit führt sich aber der industrielle Produktivitätswettlauf ad absurdum; die tendenzielle Elimination menschlicher Arbeitskraft aus dem Produktionsprozess ist Begleiterscheinung einer sekulären Krise der industriellen Produktion, die in einer Fülle von Erscheinungsformen (Umweltkrisen, Rohstoffkrisen, Absatzkrisen, Finanzkrisen, und eben auch soziale Krisen) ihre Verlaufsform findet.

  • Jens Schröter: http://www.academia.edu/4149588/Von_Heiß_Kalt_zu_Analog_Digital_-_Die_Automation_als_Grenze_von_McLuhans_Medienanthropologie
  • (http://en.wikipedia.org/wiki/Player_Piano_(novel))
  • 2005 bestritten die 200 weltgrößten Unternehmen mehr als 25 Prozent der globalen Wirtschaftstätigkeit, können damit aber nur noch 0,75 Prozent allerMenschen beschäftigen (vgl. Kurz 2005: 81)
  • Norbert Wiener: »Die automatische Fabrik und das Fließband ohne menschliche Bedienung sind nur soweit von uns entfernt, wie unser Wille fehlt, ein ebenso großes Maß von Anstrengung in ihre Konstruktion zu setzen wie z.B. in die Entwicklung der Radartechnik im Zweiten Weltkrieg. […] Es kann sehr wohl für die Menschheit gut sein, Maschinen zu besitzen,die sie von der Notwendigkeit niedriger und unangenehmer Aufgaben befreien, oder eskann auch nicht gut sein. […] Es kann nicht gut sein, diese neuen Kräfteverhältnissein Begriffen des Marktes abzuschätzen. […] Es gibt keinen Stundenlohn eines US-Erd-arbeiters, der niedrig genug wäre, mit der Arbeit eines Dampfschaufelradbaggers zukonkurrieren. Die moderne industrielle Revolution ist ähnlicher Weise dazu bestimmt,das menschliche Gehirn zu entwerten, wenigstens in seinen einfacheren und mehrroutinemäßigen Entscheidungen. […] Wenn man sich […] die zweite [industrielle]Revolution abgeschlossen denkt, hat das durchschnittliche menschliche Wesen mit mittelmäßigen oder noch geringeren Kenntnissen nichts zu verkaufen, was für irgend jemanden das Geld wert wäre. […]« (Wiener 1963: 59/60; vgl. auch Wiener 1985a:678)
  • Heute stellt die Technik der Elektrizität den Geldbegriff selbst in Frage« (McLuhan aao.: 215).
Gleichzeitig wandelt sich mit dem Fortschritt der Automation deren Aktionsbereich; war die erste Phase der Automation geprägt von starren Arbeitsschritten, so haben sich die Maschinen zu kommunikationsfähigen und flexiblen Einheiten gewandelt. Dies betrifft sowohl den Einsatz in der Fabrik (Industrie 4.0) als auch außerhalb der Fabrik. McLuhan ging so weit, den Terminus Automatisierung jener Entwicklung außerhalb der Fabrik zuzuordnen, die essentiell dezentral - und somit im wirklichen Lebensprozess angekommen ist.

Spezifische Aufhebungs - Muster im gegenwärtigen Kapitalismus

Das Geldsystem ist in Wahrheit ein System der sich spontan auseinander entwickelten Wertformen; Geld selbst ist zwar zentraler Nexus, aber es modifiziert seine Existenz ständig, wenn es sich als übergreifender Zweck der Produktion setzt. Es wird zu Kapital, Wert vermehrender Wert; dieser unterwirft sich den Produktionsprozess real, indem in der großen Industrie die Arbeitskraft als Quelle von Wertquanten funktionalisiert und zugleich tendenziell überflüssig gemacht wird. So sehr sich dieser Prozess als Kampf einzelner Kapitale gegeneinander darstellt, so sehr entstehen in diesem Prozess Muster die über ihn hinausweisen.

Kommunikation statt Markt - hin zu einer tatsächliche Koordination gesellschaftlichen Handelns

Geld kann nicht einfach abgeschafft werden; es bedarf einer bewussten Subsumtion der gesellschaftlichen Produktion unter die Gestaltung und Kontrolle der asoziierten Produzenten, um der spontanen Äquivalenzform den Boden zu entziehen.

Muster des Überlebens und der rationellen Produktion

Die Zeiten einer scheinbaren Identität von wirtschaftlichem Wachstum und Versorgung der Massen sind verloren gegangen; Globalisierte Produktionsverlagerung und Automatisierung haben Verarmung und Präkarisierung weit vorangetrieben und ganze nationale Ökonomien ihrer Geschäftsgrundlagen beraubt und sozialstaatliche Versorgungssysteme ruiniert. Tendenziell wird der Arbeiter aus der kapitalistischen Produktion entfernt - er muss sich wohl eine andere Existenzgrundlage suchen.
Die in Bewegung gesetzten Agentien der globalen Gesamtfabrik nehmen auch auf die Naturgrundlagen menschlichen Lebens keine Rücksicht. Die Forderung nach einem nachhaltigen Stoffwechsel mit der Natur konfligiert mit der Logik der Verwertung und der Konkurrenz.

Muster von abgekoppelten Räumen / Sphären kollektiver Selbstbestimmung

Visionen einer anderen Gesellschaft

In den sich immer weiter akzellerierenden Unwägbarkeiten der kapitalistischen Entwicklung sind heutzutage nur mehr Dystopien plausibel und massenfähig; die Entwicklung einer positiven Utopie ist schon gleichbedeutend mit einem Einwand gegen den Lauf der Dinge. In diesem Sinn ist die Beschäftigung mit ihnen politischer denn je, und gibt den heutigen ersten Schritten überhaupt erst ein Fundament. Die positive Zukunftsbeschreibung jenseits der Geldlogik setzt ein "enormes Bewusstsein" und ein Gespür für die Komplexität aller bisher beschriebenen Muster voraus.

Wir finden Muster die von der räumlichen Seggregation autarker Wertegemeinschaften bis hin zu komplexen industrieller Produktionskooperativen reichen - können wir sie gedanklich unter einen Hut bringen?

(C) Die Autoren changed: 6. Januar 2020