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Projekte / Stille Und Fülle / Referentenbrief Danke für Ihr Interesse an unserem Klostersymposion "Stille und Fülle - Klöster der Zukunft", das vom 6. bis 10. Juni in Seebenstein stattfinden wird. Das folgende ist ein sich entwickelnder noch unfertiger Brief an Sie als Referent oder Referentin, der online steht und den Stand der Dinge immer präziser zu fassen versucht. (Während der Motivenbericht eine Momentaufnahme war, aber diesen Brief hinsichtlich der allgemeinen Grundlagen gut ergänzt) Gesamtdauer: 6.Juni abends 18h bis 10. Juni mittags ca. 13h
In diesem Rahmen ist der 7.Juni (Donnerstag, Fronleichnamstag) als Vortrags- und Inspirationstag vorgesehen, an dem in Form von 5 Paneldiskussionen das immense Feld abgesteckt werden soll. (wir haben aufgrund der Fülle des Stoffs entschieden dass die fünfte Diskussion am Freitag morgen stattfindet) Wir wollen zwar, dass die TeilnehmerInnen nicht primär ein akademisches sondern vor allem praktisches Interesse zum Klosterthema mitbringen, dennoch ist es uns wichtig, sie in zentralen Fragen der Thematik mit inspirierenden und weitgehenden Sichten auf Geschichte und Möglichkeiten der monastischen Muster zu konfrontieren. Wir haben daher diese Muster gegliedert in 5 Dimensionen, um die jeweils eine Paneldiskussion kreisen soll. Die Referate sehen wir angesichts der Fülle und Breite des Stoffes lediglich als Impulsreferate, die Lust auf tiefere Beschäftigung machen sollen. Wir denken an eine Dauer von nicht mehr als 20 Minuten, und hoffen auf eine Präsentation die auch die sinnliche Seite anspricht, die mit Worten und Bildern die Muster greifbar macht. Die durchaus interessante und herausfordernde Aufgabe der Referate besteht darin, sich einerseits sich auf die Klostergeschichte zu beziehen, andererseits die Voraussetzungen, Erfordernisse und Möglichkeiten der Gegenwart zentral im Blickfeld zu behalten. Wie wir im Einladungstext geschrieben haben ist für uns das Kloster eine Metapher, ein Katalog von einzigartigen Anstrengungen, Fokussierungen und Manifestationen in Bezug auf das Wirken inspirierter Gemeinschaften in der Zukunft. Wir sehen die Rolle der Religion als Hintergrund und Stütze solcher Gemeinschaften in der Geschichte, sehen aber das Klosterthema nicht automatisch in Verbindung mit und abhängig von Religion. Es ist aber jedenfalls eine Welt sui generis, die sich hier entfaltet, die spannende Antworten auf die Frage der sozialen Identität, des Lebensraums, der menschlichen Potentiale, der gesellschaftlichen Praxis und nach dem Wesen von Kultur gegeben hat. Diese Antworten und Antwortsdimensionen herauszuarbeiten ist unsere Bitte an die Referenten und Referentinnen.
I Einstieg mit der sozialen DimensionWir wollen dabei den Einstieg mit der sozialen Dimension machen, also mit der Frage welche soziale Identität der Mensch im klösterlichen Feld hat und welchen Umgang mit sozialer Identität und sozialen Problematiken die monastische Institution schafft. Sicherlich gibt es hier eine gewaltige Bandbreite, und es gibt kaum eine Regel für die sich nicht historisch eine Ausnahme findet. Jedenfalls ist das Kloster ein Ort, der üblicherweise mit einer Initiation verbunden ist, mit einem Abwenden von der bisherigen Verstrickung in eine reaktive Lebensweise, mit einer Neuorientierung. Kann uns das in einer Welt des radikalen Individualismus etwas sagen? Wie und wohin transformieren sich Werte wie Armut und Gehorsam, Autarkie und Regel in einer Welt, die stärker denn je den Einzelnen von der Gesellschaft abhängig gemacht hat und zugleich jedem Individuum eine scheinbare oder tatsächliche Entfaltung verspricht? Welche Entwicklungen ergeben sich mit dem Niedergang des Sozialstaats, der unausweichlicher Vorbote einer fundamentalen Erschütterung unseres Wirtschaftssystems ist; aus der nicht mehr lebbaren Kluft zwischen Arm und Reich, Jung und Alt? Wie hilft uns das Kloster, die Herausforderungen der Lebensalter zu bewältigen? Dies sind nur einige Fragen, aus denen sicherlich nicht alle behandelt werden können, deren Vielfalt jedoch bewusst sein sollte. mögliche Vorträge sind:
II Das Kloster als RaumDie zweite Fragendimension führt uns in die räumlichen Aspekte des Klosters, als Ort nicht nur des Wohnens, sondern auch der Arbeit, der in einzigartiger Weise einen Mikrokosmos an gemeinschaftlichen Lebensbereichen miteinander kombiniert. Was uns an dieser Kombination anspricht bis hin zur sakralen Aufladung von Räumen mit den Menschen tief beeinflussenden Energien, das soll ein Panel klären das sich von der Baukunst über die Ökologie bis hin zur Geomantie erstreckt. Raum ist ja nicht nur der Raum innerhalb des Klosters, auch die Resonanz mit der Landschaft und die Einbeziehung von Natur und Garten, das Spiel mit außen und innen, vom innersten Kraftort bis hin zum Resonanzkörper des Sakralbaus, sind konstitutive Elemente der Faszination, die Klöster ausüben, auch wenn manche davon heute leer stehen. Ein Projekt der TU in Dalmatien auf der Insel Mljet soll hier wieder in Erinnerung gerufen werden, bei dem es um die Kombination des Alten mit dem Neuen ging, um uns einige Ideen für die komplexen Gestaltungsmöglichkeiten unseres künftigen Lebensraumes zu geben.
III Ora: Der Spirituelle KernAn diese Fragestellung anschließend wollen wir uns der Essenz, der spirituellen Qualität zuwenden, der Einzigartigkeit der Arbeit an sich selbst und der Öffnung für die tiefen Dimensionen der Matrix des Bewusstseins, welche traditionellerweise als Leben für und in Hinsicht auf Gott beschrieben wurde. Dies ist für sich genommen schon wieder die Quelle einer Vielfalt von Formen und Zugängen, Ritualen und Techniken, aber auch von Verwerfungen die sich immer wieder in der Doppelerscheinung von Dogmatismus auf der einen Seite, und einem extrem selbstbewußten Interpretieren von Religion bis an die Grenzen der Häresie manifestieren. Klöster waren immer die Heimstätten der Mystik, der Beschäftigung mit dem tiefen Selbst, die dem Menschen Ganzheit und Identität versprachen. Ganzheit ist aber mit der Vorstellung der Heilung, Wholeness ist mit Health verbunden. Gerade in der heutigen Zeit symbolisieren Klöster wieder verstärkt Orte der Heilung und viele haben sich auch zunehmend nichtreligiösen Menschen geöffnet. Ein besonderer und immer häufiger beschrittener Weg ist dabei die bewusste Verbindung von christlichen und östlichen Traditionen. Auch hier erwarten wir von den Referenten und Referentinnen nicht mehr als einen einführenden Überblick und vor allem einen Einblick in die schon existierende Welt der transreligiösen Klöster.
IV Labora: Die Arbeit der KlösterIn einem gewissen Kontrast dazu steht das vierte Panel, das sich auf die andere, die exoterische Seite der Klöster fokussiert. Vor allem die abendländische Variante der Verbindung von Religion und Politik hat das große Paradox hervorgebracht, dass genau jene Sozietäten, die gedanklich aus dem totalen Rückzug aus der Welt hervorgegangen sind (und die Wüstenväter sind bei den allermeisten Orden auch heute noch beliebte Lektüre), dass also diese Weltflüchtlinge gleichsam in die Mitte der Gesellschaft gestellt und mit zentralen Aufgaben betraut wurden. Von der karolingischen Epoche an waren die Klöster die Träger der mannigfaltigsten Aufgaben. In diesem Panel geht es um die Vielfalt der Aufgaben die Klöster einerseits in der Geschichte erfüllt haben und wiederum und hauptsächlich um die Frage der gegenwärtigen und zukünftigen Aufgaben in einer Zeit, in der die beiden geselschaftlichen Hauptinstitutionen Markt und Staat ihre strukturelle Unfähigkeit zur Bewältigung der menschlichen Daseinsfragen unter Beweis gestellt haben. Ein wesentlicher Aspekt in diesem Panel, das wir ein wenig pointiert "das Kloster als Werkzeug" nennen, ist die immense Bedeutung des elektronischen Mediums als Potential einer radikalen Dezentralisierung bei gleichzeitigem Zugriff auf Wissen und Können der Welt und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten einer neuen Generation von "Wissensklöstern", die der Welt neue Wege zur Nachhaltigkeit vorleben und vordenken, die vielleicht aber auch gemeinsam die zentralen Institutionen der Bewahrung von Kultur werden könnten. Hermann Hesse hat dieser Wendung in seinem "Glasperlenspiel" schon während der dunkelsten Zeit des 2. Weltkrieges ein unsterbliches literarisches Denkmal gesetzt, doch erst die Mustersprache eines Christopher Alexander lässt uns erahnen, wie die Neuordnung und Brauchbarmachung des enorm angestiegenen Wissens im Sinn eines Baukastens für eine Welt der Lebendigkeit aussehen könnte.
V Das Kloster als Keim einer KulturwendeSo kulminiert schließlich das Symposium in der letzten, alle vorherigen Aspekte integrierenden Panel - Diskussion, in der wir unseren Blick wieder zur historischen Dimension wenden und uns die Frage stellen, ob und wie eine neue "Klosterkultur" damit verbunden ist, dass es eine Resonanz mit und einen Einfluss auf eine allgemeine Kulturentwicklung gibt. Oder auch umgekehrt, wie der globale Kulturwandel neue "klösterliche" Formen des Lebens fördert. Wir nennen dieses Panel "Das Kloster als Keim" und haben auch hier interssante Vortragende und Referate im Auge.
Ich hoffe Ihnen mit diesem kurzen Überblick ein wenig Orientierung hinsichtlich unserer Pläne gegeben haben und hoffe sehr, dass Ihnen eine Teilnahme möglich ist und ein Referat zustande kommt. Ich freue mich auf Nachfragen und gemeinsame Diskussionen! mit besten Grüßen
Franz Nahrada
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(C) Die Autoren | changed: 1. Juni 2012 |