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Demonetarisierung

 
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Mailingliste "MiteinanderOhneGeld"


In den letzten Jahren haben drei praktische und theoretische Interventionen an Bedeutung gewonnen: die Solidarische Ökonomie, die Commons und zuletzt das bewusste Negieren des Geldes als Medium des Sozialen, die Demonetarisierung. Die Debatte um die Demonetarisierung ist wahrscheinlich der schwierigste der genannten Interventionen. Wie auch bei den anderen Diskursen geht es zunächst darum, sichtbar zu machen, dass die herrschende Vorstellung vom Wirtschaften Praktiken ausblendet, die immer da waren und noch da sind. Das Muster “geldfreie menschliche Beziehung” hat die doppelte Bedeutung, dass nicht Geld die menschliche Beziehung vermittelt, und dass die beteiligten Menschen gewaltfrei miteinander umgehen. Das Andere des Geldes ist eben gerade nicht die Kommandowirtschaft, Rationierung, Zuteilung, Anordnung – sondern die freie Übereinkunft und die Orientierung am menschlichen Bedürfnis.

Der Diskurs richtet sich gegen eine Weltanschauung, für die das Geld nicht nur Garant der Freiheit ist, sondern die auch so tut, als sei Geld die natürlichste Sache von der Welt und das tauschende Verhalten („Ich gebe nur, wenn auch du gibst“) die menschliche Verkehrsform schlechthin. Geld wird im herrschenden Denken zum “Kommunikationsmittel der Bedürfnisse” verklärt – mit dem schlichten “Argument”, dass im herrschenden Wirtschaftssystem das Bedürfnis ohne Geld stumm und machtlos sei. Da können Millionen Menschen verhungern und Milliarden verwahrlosen, da können Gesundheit und elementare Existenz massenhaft draufgehen, die gute Meinung vom Geld – oder vielleicht einem anderen, besseren Geld – als notwendigem Kommunikationsmittel über Bedarf und Produktion scheint unerschütterlich.

Gegen dieses hahnebüchene Bedingungsdenken – „ohne Göd ka Musi“– macht der Demonetarisierungsdiskurs geltend, dass unsere Realität voller geldfreier Elemente ist: Von der ursprünglichen gebenden Liebe der Mutter zu ihrem Kind, sozusagen der geldfreien Urerfahrung jedes Menschen, über die Ethnographien von Schenkökonomien, Potlach-Ritualen, Stammes-, Hof- und Dorfgemeinschaften, über die Entdeckung von durchaus gewaltigen geldfreien bedürfnis- oder zielorientierten Beziehungsnetzen innerhalb von Orden, Gilden, Organisationen, hin zu intentionalen Gemeinschaften wie den Jesuiten in Paraguay, den israelischen Kibuzzim und vielen anderen: Eine Unmenge an Belegen lässt an der behaupteten Universalität des Geldes zweifeln. Moderne Entwicklungen wie die freie Softwareentwicklung, Wikipedia oder die wachsende Bedeutung des Freiwilligensektors ergänzen diesen Befund.

Die Demonetarisierungsdebatte bleibt nicht beim Konstatieren von Fakten stehen. Sie fragt, wieso die geldfreien Beziehungen vom Geld als “offiziellen” Medium der Kommunikation umhüllt, überlagert, durchsetzt, infiltriert werden konnten und können. Sie fragt, welcher Leistung es bedürfe, um ein geldfreies System der Tätigkeiten und Bedürfnisse ins Licht und in die Wirklichkeit zu bringen.

Mit der Krise von 2008 entstand grundsätzliches Misstrauen gegen die bisher sakrosante Welt des Geldes. Eine Ahnung geht um, dass nicht die Gier einzelner Menschen “schuld” ist am Zusammenbruch bisher noch als „rational“ empfundener Verhältnisse, sondern dass es gerade die sachgemäße Entwicklung der Logik des Geldes selbst ist, die zur massenhaften Vernichtung von Reichtum und Lebenschancen führt. Diese Logik funktioniert nur mehr durch Simulation, durch Aufrechterhaltung eines an sich schon nicht mehr existenzfähigen Zustandes. Das Mittel der Simulation war und ist die Verschuldung, die Erzeugung von Geld aus Nichts, verbunden mir dem vagen Versprechen, dass die Schaffung von Geld zur massenhaften Entstehung von geldwertem Reichtum führt. Am Versuch ,dieses Versprechen praktisch wahr zu machen, droht unsere Welt zugrunde zu gehen.

Workshop auf dem Solidarökonomiekongress

Quellen

(C) Die Autoren changed: 29. September 2013